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Gebrochener Kofferraum
 ...ein stilles Weihnachten...
24. Dezember 2019

...ein stilles Weihnachten...

„Geh in den Wald“, rät mir eine innere Stimme. "Schau dir die Bäume an, wie sie friedlich dahinschlummern und stell dir vor „Alles sei gut““. Jetzt sitze ich da, die Zehen in Fellschuhen, die Nasenspitze in Wolle versteckt und warte darauf, dass etwas passiert. Irgendwas. Doch nichts. Ein Vögelchen auf einem Ast ober mir zwitschert mir ein anklagendes „Hä?“ entgegen, beinahe so, als würde ich seine Idylle stören. „Es ist Weihnachten“ fauche ich es an, „wie wär´s mit ein bisschen Nächstenliebe?“ Unbeeindruckt flattert es von Tannen. Ich vergrabe meine Nase noch ein Stück weiter in die Wolle und höre die Stille. Sie ist ziemlich laut. Zu laut, um sie zu ignorieren. Zu laut, um sie, und mit ihr alles, was seit langem gehört werden will, wegzuschieben. Die Tränen fließen, die Nase rinnt, die Umgebung verschwimmt in ein Meer aus Ästen. Und mein Blick wandert mitten hinein … in meine Verletzlichkeit. Ich packe sie mit beiden Händen, wütend, dass es sie gibt, glücklich, dass es sie gibt, beseelt von dem Gedanken, sie zu spüren. Sie ist es, die so oft im Keller verschwindet, im Käfig der eigenen Wahrnehmung. Sie ist es, die das Denken trübt und das Handeln hemmt. Kraftlos und müde macht. Die uns aufgeben lässt und dennoch unzufrieden in uns weiterbrodelt. Sie ist da! Gerade jetzt. So nah, als könnte ich sie greifen. Und sie will gehört werden. Sie will, dass ich mich mit ihr versöhne. Denn sie stiftet dazu an, zu vertrauen und mutig zu sein. Vertrauen fällt nicht vom Himmel, sondern entsteht in der Intensität, in der ich mich traue, jemandem Vertrauen zu schenken. Vertrauen ist das Resultat, die eigene Verletzlichkeit zu riskieren. Und das Magische, das daraus entsteht, ist Nähe, und der Mut etwas zu wagen, dessen Ausgang offen ist.

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City Skyline BW
...nothing else matters...
10. Februar 2019

...nothing else matters...

Es sind diese Momente, die einen glauben lassen, sie hätten Bestand. Bis in alle Ewigkeit. Zumindest ist man zum Zeitpunkt ihres Erlebens davon überzeugt, sie niemals, NIEMALS, wieder herzugeben. Sie passieren meist unerwartet. Gerade dann, wenn einem nicht der Sinn nach Suchen ist. Wenn man in dieser Nicht-Erwartung eine Offenheit ausstrahlt, die es diesen Momenten ermöglichen, uns zu erreichen. Es ist einer dieser Momente, der es vermag, mich zu berühren. Der sich durch sein intensives Jetzt zu all den Momenten gesellt, die es wert sind, bewahrt zu werden. Er sitzt nun Schulter an Schulter mit ihnen in meinem Innersten, wächst durch diese Verbindung und bleibt doch auch grandios in seiner Einzigartigkeit. Ich stehe, ohne zu suchen, vor der New York Public Library. Einem Gebäude inmitten Manhattans, das wirkt, als wäre es ein wunderschöner Außenseiter. Niedrig und doch erhaben thront es, inmitten gewaltiger Glasbauten, wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Man kann gar nicht anders, als sich ihr zu ergeben und zu genießen. Draußen eine Stadt, die lebendiger nicht sein könnte, drinnen ein Ort der Stille. Allein das Dasein dieser Millionen von Buchstaben, die in ihrer Einmaligkeit aneinandergereiht so viel Sinn ergeben, lösen in mir ein Gefühl der Geborgenheit aus. Schön. Sehr schön. Nahe dem Ausgang, unter einer alten Eiche, sitzt ein Mann. Neben ihm steht mein Sohn. Sie unterhalten sich. Zwischen ihnen ein Tisch mit Büchern. Seinen Büchern. Der Mann sieht mich an, ich sehe ihn an und irgendetwas geschieht in diesem Augenblick. Beinahe so, als hätten wir einander erwartet. Weder sein Name, noch der Titel seiner Bücher, sagen mir zu diesem Zeitpunkt etwas. Wir beginnen einander kennenzulernen. Auf eine seltsam vertraute Weise. Dann greift er zu seiner alten Ledertasche und zieht einen Umschlag heraus. In diesem Umschlag befindet sich ein Buch. Ein einziges. In deutscher Sprache. Er reicht es mir mit einem Blick, den ich genau in diesem Augenblick beginne zu verstehen. Er muss die Verblüffung, das Wunder, in meinen Augen erkennen, denn ein wissendes Lächeln huscht über seine Lippen. “Briefe an Zoe“…über dieses Buch bin ich vor Monaten gestolpert, es war nur ein Satz, ein einziger Satz, der mich damals berührt hat: “…Ich habe nur darauf geachtet, was ich fühle, ohne mein Bedürfnis etwas zu fühlen, zu berücksichtigen, also nicht nur zu fühlen, was ich wollte, sondern die Wirklichkeit zu fühlen.“ Und dann eile ich ins Hotel, lese und lese. Sauge Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe in mich auf, bis Stunden später der letzte Satz vor meinen Augen verschwimmt “Jetzt mehr als je zuvor sende ich dir, Zoe, diesen Brief, zusammen mit meiner Liebe…“ Es ist, als hätte er es für mich geschrieben. Als hätten sich die Sehnsüchte, die er darin beschreibt, direkt aus meinem Innersten einen Weg zwischen diese Seiten erkämpft. Der darauffolgende Tag beginnt ein wenig anders. Denn es hat sich etwas verändert. Die Sicht auf die Dinge. Die Sicht auf das Leben. Die Sicht auf alles. Und in mir bohrt nur eine, eine einzige Frage, die ich beantwortet haben muss. Die nur ER mir beantworten kann. Also mache ich mich auf den Weg. Zur Bibliothek. Wohlwissend, dass die Chance ihn wiederzutreffen, minimal ist. Und so ist es auch. Kein Stuhl, kein Tisch. Keine Antwort. Ein paar Stunden später versuche ich es erneut. Die Sonne scheint. Keine einzige Wolke am New Yorker Himmel. Ich biege um die Ecke der 42nd Street und da sitzt er. Und lächelt dieses unheimlich einnehmende Lächeln. Als er mich sieht, wird dieses Lächeln noch ein wenig intensiver. Ich gehe auf ihn zu, ohne ein Wort des Grußes, ohne Floskeln, die einem Fremden gegenüber der Höflichkeit halber angebracht wären. Ohne die geringste Scheu platze ich mit meiner Frage heraus. “Is Zoe a real person or just an imagination?“ Doch noch während ich sie formuliere, wird mir bewusst, dass ich gar nicht hätte fragen müssen, denn er weiß genau, warum ich wiedergekommen bin. Er steht auf, berührt meinen Arm und schenkt mir eine Antwort. Meine Antwort. Die, die nur ich verstehen kann. Die, die er für mich gebastelt hat. Wie ein maßangefertigtes Paar Schuhe, dass perfekt, wirklich perfekt, nur auf ein einziges Paar Füße passt. Vielleicht hätte es gar keiner Frage bedurft? Und auch keiner Antwort? Vielleicht hätte ein wenig mehr Vertrauen in das eigene Ich es vermocht, dieses Paar Schuhe selbst zu finden, es anzuziehen und zu erkennen, wie perfekt es sich anfühlt? Es sind diese Momente, die sich in ihrer Irrealität so real anfühlen, als könne man nach ihnen greifen. Die sich massiv in unsere Seele setzen und doch in ihrer Unglaublichkeit so zerbrechlich wirken, als könne sie ein Luftzug einfach wieder fortwehen. Weil sie so kostbar sind. Beinahe ZU kostbar für uns, um sie erfassen zu können. Und doch passieren sie immer wieder. Sind da. Und bleiben da. Für immer.

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Vulkan
   ...el Teide...SO muss es sein...oder...
                                                                                   21. August 2019

 

...el Teide...SO muss es sein...oder...

Begegnungen, die eines gemeinsam haben: sie sind es wert zu sein! Die Kurven lenken sich beinahe von selbst, so gut kenne ich diese Landschaft. Serpentine für Serpentine. Schlucht für Schlucht. So oft bin ich sie schon entlang gefahren. Tagsüber oder unter einem sagenhaften Sternenhimmel, bei Nebel und sogar bei Schnee. Ich werde mich niemals an diesen schroffen Formen, die so anmutig und mächtig mitten im Ozean stehen, sattsehen. Im Gegenteil. Mit jedem Mal spüre ich sie mehr. Es geht immer höher hinauf, mit ein paar Pausen, dem Gemüt und dem Kreislauf zuliebe. Und dann bin ich da. Nicht dort, wo sich Holländer und Engländer um die Wette sonnenbranden. Wo sie dreist der Tatsache, auf einer Vulkaninsel einen Vulkan vorzufinden, mit bergfesten Flip Flops trotzen. Wo stolz über 3000 Höhenmeter in zwei Stunden überwunden werden, aber nur ungefähr 10 davon zu Fuß. Keuchend, schwitzend, gereizt. Nein, ich meine ein Stück weiter. Fernab der Touristenbusse. Auf 2356 Meter. Da ist eine Absperrung. Oder eher sowas wie ein Gatter, mit einem Vorhängeschloss gesichert. Spanisch eben. El Guardia schenkt dem Wisch in meiner Hand einen flüchtigen Blick, mir einen grimmigen. Während er routiniert die Verriegelung öffnet, gibt er mir lapidar zu verstehen, ich hätte 45 Minuten. „Si, si“, wir wissen beide, dass sich das nicht ausgehen kann, nicht ausgehen soll, nicht ausgehen darf! Und dann wird geklettert … geatmet … geklettert … geatmet, geatmet … geklettert … geatmet, geatmet, geatmet … es riecht nach Schwefel. Und nach Glück. Es ist anstrengender als ich dachte. Ich kriege kaum Luft. Auf 3700 Höhenmeter nicht besonders überraschend und trotzdem irgendwie beängstigend. Man kennt das vom Tauchen. Auch nur der Gedanke daran, zu wenig oder keine Luft zu kriegen, beschleunigt die Atmung. Also langsamer. Bedächtiger. Schritt für Schritt dem Gipfel entgegen. Und dann … es ist perfekt! Der Blick, der Wind, der Geruch. Meine Handinnenfläche, dort wo die Lebenslinie und die anderen, deren Namen ich nicht kenne, einander treffen, erfasst den allerhöchsten Punkt dieses gewaltigen Bergmassivs. Glatt, warm und mächtig. Kompromisslos ragt dieser höchste Stein Spaniens dem wolkenlosen Himmel entgegen. Es ist das Ende. Oder der Anfang. Oder beides. Ich atme. Staune und weine. Es ist, als würde dieses gigantische Bergmassiv schützend seine Arme ausbreiten und mir trotz des starken Windes sicheren Halt geben. Als würden unsichtbare Hände mein Gesicht nehmen, meine Wangen festhalten und mir sagen: SO. Genau SO muss es sein! Es ist, als wäre ich am Ziel. Meine Gedanken, meine Wünsche, meine Bilder liegen wie ein offenes Buch vor mir. Jeder Satz liest sich, als wäre er in Stein gemeißelt. In diesen über alles erhabenen Stein. Ich genieße. Ich lebe. Nach langen Minuten des Glücks beginne ich den Abstieg. Es ist mehr ein Schweben. Jeder Schritt bedacht gesetzt, jedoch mit einer gewissen Leichtigkeit versetzt. El Guardia ist immer noch grimmig, eh klar. Die 45 Minuten sind längst vorbei. Und doch scheint mir, als wäre da in seinen Augen ein kurzes Lächeln zu erkennen, oder zumindest ein Verstehen. Doch jeder Schritt, der mich ein Stück weit weg vom Berg in Richtung Tal führt, kostet mich Kraft. Jene Kraft, die ich mir so gerne bewahrt, die ich so gerne festgehalten hätte. Nach der ich giere und süchtig bin. Jeder Schritt holt mich zurück auf den Boden der Realität, der Normalität. Und mit jedem Schritt gesellt sich zu diesem „SO muss es sein!“ ein „Hm…“ und ein „Tja…“. Die in Stein gemeißelten Gedanken verschwimmen vor meinen Augen. Von Tränen begleitet, wird aus einem „Das ist es!“ ein „Das wäre es.“ und ganz unten, fernab dieser gigantischen Höhe sogar ein „Das wäre es gewesen.“. Meist treffen uns diese Momente wie aus dem Nichts. Ein Sternenhimmel, ein Sonnenuntergang, eine Berührung oder ein bestimmter Blick. Ein geschriebener Satz, ein spezielles Lächeln … diese Momente, die uns dieses ganz besondere „SO muss es sein!“ spüren lassen, sie sind selten und wir sollten besser auf sie achten. Doch die Verantwortung, das Pflichtbewusstsein, die Erfahrung, die Selbstachtung, … und wie sie sonst alle heißen, arbeiten auf Hochtouren um dem SO! und dem JETZT! entgegenzuwirken. Und dann wird aus diesem zuvor so sicher geglaubten „Das ist es!“ doch ein „lieber nicht“. Es geht immer höher hinauf, mit ein paar Pausen, dem Gemüt und dem Kreislauf zuliebe. Und dann bin ich da. Nicht dort, wo sich Holländer und Engländer um die Wette sonnenbranden. Wo sie dreist der Tatsache, auf einer Vulkaninsel einen Vulkan vorzufinden, mit bergfesten Flip Flops trotzen. Wo stolz über 3000 Höhenmeter in zwei Stunden überwunden werden, aber nur ungefähr 10 davon zu Fuß. Keuchend, schwitzend, gereizt. Nein, ich meine ein Stück weiter. Fernab der Touristenbusse. Auf 2356 Meter. Da ist eine Absperrung. Oder eher sowas wie ein Gatter, mit einem Vorhängeschloss gesichert. Spanisch eben. El Guardia schenkt dem Wisch in meiner Hand einen flüchtigen Blick, mir einen grimmigen. Während er routiniert die Verriegelung öffnet, gibt er mir lapidar zu verstehen, ich hätte 45 Minuten. „Si, si“, wir wissen beide, dass sich das nicht ausgehen kann, nicht ausgehen soll, nicht ausgehen darf! Und dann wird geklettert … geatmet … geklettert … geatmet, geatmet … geklettert … geatmet, geatmet, geatmet … es riecht nach Schwefel. Und nach Glück. Es ist anstrengender als ich dachte. Ich kriege kaum Luft. Auf 3700 Höhenmeter nicht besonders überraschend und trotzdem irgendwie beängstigend. Man kennt das vom Tauchen. Auch nur der Gedanke daran, zu wenig oder keine Luft zu kriegen, beschleunigt die Atmung. Also langsamer. Bedächtiger. Schritt für Schritt dem Gipfel entgegen. Und dann … es ist perfekt! Der Blick, der Wind, der Geruch. Meine Handinnenfläche, dort wo die Lebenslinie und die anderen, deren Namen ich nicht kenne, einander treffen, erfasst den allerhöchsten Punkt dieses gewaltigen Bergmassivs. Glatt, warm und mächtig. Kompromisslos ragt dieser höchste Stein Spaniens dem wolkenlosen Himmel entgegen. Es ist das Ende. Oder der Anfang. Oder beides. Ich atme. Staune und weine. Es ist, als würde dieses gigantische Bergmassiv schützend seine Arme ausbreiten und mir trotz des starken Windes sicheren Halt geben. Als würden unsichtbare Hände mein Gesicht nehmen, meine Wangen festhalten und mir sagen: SO. Genau SO muss es sein! Es ist, als wäre ich am Ziel! Meine Gedanken, meine Wünsche, meine Bilder liegen wie ein offenes Buch vor mir. Jeder Satz liest sich, als wäre er in Stein gemeißelt. In diesen über alles erhabenen Stein. Ich genieße. Ich lebe. Nach langen Minuten des Glücks beginne ich den Abstieg. Es ist mehr ein Schweben. Jeder Schritt bedacht gesetzt, jedoch mit einer gewissen Leichtigkeit versetzt. El Guardia ist immer noch grimmig, eh klar. Die 45 Minuten sind längst vorbei. Und doch scheint mir, als wäre da in seinen Augen ein kurzes Lächeln zu erkennen, oder zumindest ein Verstehen. Doch jeder Schritt, der mich ein Stück weit weg vom Berg in Richtung Tal führt, kostet mich Kraft. Jene Kraft, die ich mir so gerne bewahrt, die ich so gerne festgehalten hätte. Nach der ich giere und süchtig bin. Jeder Schritt holt mich zurück auf den Boden der Realität, der Normalität. Und mit jedem Schritt gesellt sich zu diesem „SO muss es sein!“ ein „Hm…“ und ein „Tja…“. Die in Stein gemeißelten Gedanken verschwimmen vor meinen Augen. Von Tränen begleitet, wird aus einem „Das ist es!“ ein „Das wäre es.“ und ganz unten, fernab dieser gigantischen Höhe sogar ein „Das wäre es gewesen.“. Meist treffen uns diese Momente wie aus dem Nichts. Ein Sternenhimmel, ein Sonnenuntergang, eine Berührung oder ein bestimmter Blick. Ein geschriebener Satz, ein spezielles Lächeln … diese Momente, die uns dieses ganz besondere „SO muss es sein!“ spüren lassen, sie sind selten und wir sollten besser auf sie achten. Doch die Verantwortung, das Pflichtbewusstsein, die Erfahrung, die Selbstachtung, … und wie sie sonst alle heißen, arbeiten auf Hochtouren um dem SO! und dem JETZT! entgegenzuwirken. Und dann wird aus diesem zuvor so sicher geglaubten „Das ist es!“ doch ein „lieber nicht“.

Sommersprossen
   ...und überall Sommersprossen...
                                                                                      23. Juli 2018

 

...und überall Sommersprossen...

Astrid Lindgren ist tot. Seit 16 Jahren. Michel aus Lönneberga und Lotta zieht um waren die einzigen beiden Bücher, die ich als Kind sogar mit aufs Klo nahm. Michel in der Suppenschüssel konnte ich auswendig und mit fünf zog ich das erste Mal um. Wie Lotta. In Hauspatschen, mit meiner Mundharmonika und den beiden Büchern. Zur Nachbarin einen Stock tiefer. Für einen ganzen Nachmittag. Diese beiden Bücher nahmen mich an der Hand und zauberten mich durch meine Kindheit. Ich schlich inmitten ihrer Seiten mit schmutzigen Füßen ins Bett, hinein in eine wohlig weiche Welt der Freiheit und der Unbeschwertheit. Meine Phantasie, die schon damals sehr oft sehr ergiebig war, verbarg ich zwischen ihren Buchdeckeln und nahm mir immer genau die Dosis, die ich ertrug, um nicht an ihr zu zerplatzen. Diese beiden Bücher halfen mir, mit mir zu leben. Christine Nöstlinger ist auch tot. Seit 24 Tagen. Die feuerrote Friederike nahm ich nicht mit aufs Klo. Ich nahm sie nirgendwo hin mit. Wozu auch? Sie war ohnehin präsent genug. Denn dieses sommersprossige, rothaarige Mädchen war … wie ich. In seiner durch und durch schonungslosen Irrealität. Natürlich konnte ich mit meinen Haaren nicht fliegen und sie brannten auch nicht. Aber sie waren eines ganz sicher: rot. Und ich hatte so viele Sommersprossen im Gesicht, dass ich außerstande war, sie zu zählen. So oft ich es auch probierte. Mein Vater hieß Friedrich. Mein ältester Bruder Fritzi. Wäre ich die Erstgeborene gewesen, hätte ich womöglich Friederike geheißen. Welch Ironie. In der ganzen Familie ist kein einziges rotes Haar zu finden. Einzig auf meinem Kopf. In drei Kindergartengruppen und in 8 Schulklassen entdeckte ich keine einzige Sommersprosse. Einzig in meinem Gesicht. Also wartete ich darauf, dass etwas geschah. Dass es mir ähnlich erging wie der feuerroten Friederike. Aber es passierte: nichts. Gar nichts. Zumindest nicht in meiner Erinnerung. Zumindest nicht mehr als all den anderen. Ich verstand es nicht. Wo ich doch aussah wie sie? Das Buch mochte ich trotzdem nicht. Irgendwann lag dann Pipi im Takatukaland unter dem Christbaum. Oder im Osternest. Ich weiß es nicht mehr so genau. Was ich noch weiß, ist, dass ich vergaß das Schreckliche zu erwarten und begann, mit Pipi durch Schweden zu reiten. Viele Jahre später las ich Vranek sieht ganz harmlos aus und versöhnte mich mit Christine Nöstlinger. Heute schmücken viele ihrer Bücher in ihrer bunten Vielfalt unsere Bücherregale. Vom Puddingpauli bis zum Gurkenkönig. Eingeschlossen von Michel, Lotta und den Kindern aus Bullabü. Rückblickend war mein Blick auf der Suche nach Sommersprossen getrübt. Ich nahm meine eigenen zu wichtig. Hätte ich genauer hingesehen, hätte ich sie alle entdeckt. In Form abstehender Ohren, schiefer Nasen und dicker Brillen. Später dann, in Form zu dicker Oberschenkel, zu dünner Oberschenkel, eines zu kleinen Busens, eines zu großen Busens, eines zu fetten Hinterns, eines nicht vorhandenen Hinterns, … jede Sommersprosse für sich eine Qual für den, der sie hat. Und jetzt, in Form gesellschaftlicher Status oder Nicht-Status, anderer Religionen, missverstandener Meinungen, abweichender Werte, … Sommersprossen so weit das Auge reicht. Aber wir lachen einander nicht aus, wir spotten und hänseln nicht. Wir wählen, geheim natürlich, Menschen, die das für uns erledigen. Die systematisch und konsequent jede kleine Sommersprosse aberkennen, abschaffen, abschieben … Kein schöner Gedanke. Christine Nöstlinger hat einmal gesagt: "Die Kinder wären arm dran, hätten sie nur meine Bücher." Ich finde wir sind auch arm dran. Und sollten daran arbeiten, dass nicht all die anderen wunderbaren Bücher aus unseren Regalen verschwinden.

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Uhr im Bahnhof
    ...#einfachantiauthoritär...
                                                                                            9. Juli 2018

 

...#einfachantiauthoritär...

Der Sommer hat gerade wieder damit aufgehört Herbst zu spielen, und es ist an der Zeit sich der sommerlichen Unternehmungslust hinzugeben. Im Zuge dieser fand ich mich, inmitten einer sommerlich gelaunten Familie und trotz stark ausgeprägter Öffiphobie, in einem Zug wieder. In einem dieser Vierersitzensembles, bei denen der Zug so tut, als böte er eine Menge Beinfreiheit. Auf dem Fensterplatz schräg gegenüber sitzt eine ältere Dame. Lächelnd. Es ist diese Art von mildem Lächeln, das ich so sehr mag. Diese scheinbar ins Gesicht gemeißelten Lachfalten, die sich dort, einzig durch ihr lebenslanges stetes Sein, auf wunderbare Weise entfalten. Und auf die ich so unglaublich stolz wäre, wenn ich sie hätte. Ja, auch jetzt schon. Gegenüber der Dame sitzt ein Bub. Höchstens sechs. Neben ihm seine Mutter. Lächelnd. Es ist diese Art von Lächeln, dem ich, aus vielerlei Gründen, immer ein wenig vorsichtig entgegenlächle. Dem Bub ist fad. Sämtliche Bioobstprodukte sind vertilgt, die runzelige Kirsche mit dem braunen Fleck liegt, weil wääähhh, unter dem Sitz, der angeknabberte Apfelputzen liegt, weil auch wääähhh, auf dem Sitz. Die Mutter lächelt. Die alte Dame lächelt. Der Bub beginnt herumzurutschen, die kurzen Beinchen zappeln. Links – rechts – links – rechts - … schlenkern im Rhythmus des über die Gleise dahinbrausenden Zuges. Beim fünften oder sechsten Mal streift der Turnbatschn das Schienbein der älteren Dame. Ganz leicht nur. Der Bub hält inne. Verharrt in seiner Bewegung, eine Reaktion erwartend. Was kommt? Nix. Die Mutter lächelt. Die alte Dame lächelt. Die Beine beginnen abermals zu schlenkern. Acht … neun … wumm. Dieses Mal fällt dieser Schienbeinhieb ein wenig fester aus. Innehalten. Warten. Erwarten. Beinahe ersehen. Nix. Elf … zwölf … wumm. Die alte Dame bewegt sich kaum. Sie sieht weiterhin aus dem Fenster, vielleicht ein wenig mehr als zuvor. Dreizehn … vierzehn … wumm. Ihr Blick verrät nichts. Das Lächeln verändert sich, beinahe unmerklich. In seiner unerschütterlichen lebenslangen Erfahrung im Ertragen lässt es der Fassungslosigkeit und Verständnislosigkeit keine Chance. Fünfzehn … sechzehn … wumm. Die Mutter lächelt. Ich beginne zu kochen. Es ist diese gedankenlose Arroganz, mit der ich mich nie werde abfinden können. Diese einzig aus Einfältigkeit resultierende, anmaßende und zum Himmel schreiende Selbstüberschätzung, die mich, wenn ich ihr begegne, jedes Mal aufs Neue abwatschnt. Diese so gefährliche Kombination aus Überheblichkeit und Dummheit, der entgegenzuwirken ich im Laufe der Jahre aber immer müder geworden bin. Leider. Ist so. Auch eine Form von Dummheit. Die drei Augenpaare neben mir und mir gegenüber kennen mich nur allzu gut. Sie flehen "Bitte mach was!" während sie gleichzeitig schreien "Bitte mach nix!". Zweiundzwanzig … dreiundzwanzig … wumm. Ich kann nicht anders. Ich muss … Just in dem Moment entweicht dem immer noch lächelnden Mund der Mutter ein „Wissen´s, ich erziehe meinen Sohn antiautoritär.“ Stille. Ein Begriff aus den Achtzigern. Den gibt es noch? Ratlosigkeit. Umdenken. Denn WIE begegnet man diesem Gehirn von einem anderen Stern? Mit Argumenten über das Scheitern dieses pädagogischen Irrtums, mit Schreien, Schimpfen, Schluchzen, … wurscht. Ich setze zum Explosionssprung an, da nehme ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Ein junger Mann, groß, lässig, …  und offensichtlich ebenfalls Beobachter dieser absurden Situation, bleibt am Gang zwischen lächelnder Mutter und mir stehen. Nicht im Geringsten unangenehm oder gar bedrohlich, nur eben sehr präsent. Er nimmt den Kaugummi aus seinem Mund, rollt ihn zwischen Mittelfinger und Daumen zu einer kleinen Kugel und pickt ihn der Mutter, lächelnd, mitten auf die Stirn. Begleitend mit den Worten „Wissen´s, ich bin auch antiautoritär erzogen worden.“ Die alte Dame lächelt. Die Mutter lächelt nicht mehr.

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Flip Flops
   ...die wunderbare Leichtigkeit der Wärme...
                                                                   21. Juni 2018

 

...die wunderbare Leichtigkeit der Wärme...

Einer meiner Lieblingsfilme beginnt mit den Worten: Das Leben rinnt uns durch die Finger. Wir sind auf der Welt, um am Ende alles zu verlieren. Stimmt. Bedingt. Denn es rinnt zumindest nicht immer gleich schnell! In den Wintermonaten etwa, rinnt gar nix. Da zieht sich das Leben, von der Kälte verfestigt, zähflüssig dahin. Grau und griesgrämig, arm an emotionalen Highlights. Die Zeit vergeht gefühlsmäßig schleppender, wir hätten also quantitativ mehr davon, in Wahrheit aber weniger, weil aus fröhlicher Sommerperspektive betrachtet, qualitativ der Winter eben wenig bis nix kann. Meiner zumindest. Meistens zumindest. Deshalb arbeite ich äußerst konsequent daran, meine zukünftigen November-März-Quintette auf einem anderen Stern zu verbringen. Die Sommermonate verhalten sich genau gegenläufig. Die setzen am 1. Mai zum Sprung an, und sprinten in einem Höllentempo in Richtung ersten Schneefall. Vergehen wie im Nu, bergen aber eine solche Vielzahl an mehr oder weniger hohen Höhepunkten, dass sie gemeinsam mit der Gedankenschleppe, die sie nach sich ziehen, eine durchaus bedeutsame und wertvolle Zeitspanne darstellen. Ein meteorologisch bedingtes Paradoxon, das ich, bis zur Übersiedelung auf meinen Stern, wohl noch ertragen muss. Oder darf. Denn im Juni erträgt sich all das geradezu von alleine. Die Sonne, das Grün, die Menschen um mich herum … das Vögelchen, das sich allmorgendlich um vier Uhr früh in mein Ohr setzt und sein Solo trällert … die Tatsache nicht zu frieren, obwohl ich fast nix anhab´ … spüren, lieben, leben. Funktioniert. Beinahe immer. Und schreit dieser Glückseligkeits-Zustand nach Futter, dann ist es mir, in den warmen Wochen des Jahres, ein Leichtes ihn zu füttern. Sei es mit einem zweiten Glas Wein, zum dritten Ripperl und zur vierten Traumtor-Wiederholung, an Abenden die nicht enden wollen … sei es mit einem mitternächtlichen Gehüpfe in den örtlichen Badesee, trotz oder gerade weil mein Unterbewusstsein die dürftige Umzäunung als Aufforderung auffasst, eben diese, entschlossenen Schrittes, ebenfalls zu überhüpfen … sei es mit dieser wunderbaren Ausgelassenheit, die sich auf größeren und kleineren Festen just in dem Moment einstellt, in dem Stöckelschuhe Hand in Hand mit allen anderen Zwängen die Füße verlassen ... whatever. Die Futternäpfe sind randvoll mit Bonheur-Häppchen und warten auf Verteilung. Mitunter kann so eine stabile Hochwetterlage aber auch einmal in sich zusammenkrachen. Dann blitzt und donnert es mit einer überraschenden Intensität, und die Flip-Flop beschuhten Fusserl drohen den Halt zu verlieren. Dann bedarf es einer Fütterung der speziellen Art, sprich einer Maßnahme, die es vermag, mit ihrer Wucht, Blitz und Donner in einen sanften Sommerregen zu verwandeln. Die da wären sehr mannigfaltig. Manche sehen sich in diesen Maßnahmen Gipfel erklimmen, andere golfen sich um den Verstand und holen sich Pitcher und Putter in die nächtlichen Gedanken … ich schwinge meinen Hintern auf den Sattel einer Enduro. Oft im Geiste, heute in Echt. Und spätestens ab der zehnten Kurve, wenn die Pobacken die Richtung angeben, wenn die 85 PS diese fast 300 Kilo, mit einem Hauch einer Bewegung im rechten Handgelenk, fast spielerisch abheben lassen, spätestens dann weht der Fahrtwind alles von diesem ZU VIEL mit einer solchen Leichtigkeit hinweg, dass es mich nur dankbar sein lässt. Das ist MEINE Maßnahme, den düstersten Gewitterwolken ein Lächeln abzuringen. Der Charakter dieser Maßnahme ist vollkommen einerlei, ob wir pitchen oder putten, smashen oder volleyieren, blocken oder dunken, stricken, häkeln, oder einer Hummel beim Summen zuhören, wichtig ist, zu tun wonach uns ist, um zu erreichen, wonach wir uns sehnen. Und dann rinnt uns das Leben zwar immer noch durch die Finger, aber vielleicht langsamer, bedachter und mit jeder dieser wohltuenden Handlungen womöglich auch ein wenig bewusster. Und wer weiß, vielleicht verlieren wir am Ende doch nicht alles. You never know.

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Kirche
...einer dieser Momente...
                                                             6. Mail 2018

...einer dieser Momente...

Nichts liegt mir ferner, als ein Exposé über Familienfeste zu verfassen. Und zwar deshalb, weil ich davon überzeugt bin, dass es niemanden interessiert. Warum auch? Man tut sich ja selbst manchmal schwer daran Interesse zu zeigen. Aber dieses Mal … eh nur ganz kurz. Es war nämlich heute Morgen so, dass sich der komplette Clan schleppenden Schrittes in die Kirche begab, um einer huldvollen Firmung beizuwohnen. Nein, nicht einer, sondern der meines Buben. Für mich jetzt nicht unbedingt ein Anlass ausgelassener Freude, das muss ich zugeben. Mein Zugang zur Kirche ist eher besonders, mein Zugang zum familiären Clan noch besonderer. Aber es kann eben nicht immer die Sporthalle sein, in der ich euphorisch meine Mutterliebe zur Schau stelle, es ist eben dieses Mal die Kirche. Ein Ort der Besinnung. Ja eh. Die Aufzählung der unsagbar vielen Kuriositäten erspare ich uns. Gekeppel, Gewusel, Gezupfe … ohne Ende. Alle wissen scheinbar alles, in permanenter Überzeugung der Nabel der Welt zu sein. Eine Kombination, die mich immer wieder ermüden und zweifeln lässt. An Allem. Aber einerlei. Der feierliche Einzug ... das ganze Spektakel ... Bischof ... viele Kostüme und einige Kostümierungen ... viele Anzüge ... viele Schuhe, die für die Füße, die sie tragen, eine ganz offensichtliche Qual sind. Viele quengelnde Kinder, die ich nur allzu gut verstehen kann … Beten … singen … turnen (aufstehen … niedersetzen … aufstehen … niedersetzen …) … glauben … wiedersagen … preisen … heucheln … die ganze Palette. Ich stehe ganz hinten. Wirklich GANZ hinten. Lehne an einer mächtigen, kalten Steinsäule und beginne gerade gedanklich abzudriften. Den Altar samt Firmlingen im Blick, ohne wirklich hinzusehen. Die Ohren schon längst nicht mehr bei den Worten, die gesprochen werden. …  da passiert etwas Seltsames. Ein Lichtstrahl fällt durch ein Kirchenfenster und trifft auf einen blonden Kopf. Den Kopf meines Sohnes. Ich nehme es zuerst gar nicht richtig wahr, erst als er mit seinen Händen seine Haare berührt, berühren sie irgendwie auch mich. Rütteln mich wach und lassen mich diesen kleinen Zauber sehen. Niemand außer mir scheint es zu bemerken. Niemand schenkt mir dieses verschwörerische Zwinkern, das dieses plötzliche und gleichzeitige Erkennen mit sich bringt. Niemand macht irgendwas. Nur ich. Nämlich begreifen. So unerwartet. So schön. Mein kleiner Bub … so groß!!! Die Tränen kullern, wie immer in solchen Momenten. Ein Taschentuch wandert in meine Richtung, wie immer in solchen Momenten. Und ich glaube vor Glück zu zerplatzen, wie immer in solchen Momenten. Es war nämlich heute Morgen so, dass sich der komplette Clan schleppenden Schrittes in die Kirche begab, um einer huldvollen Firmung beizuwohnen. Nein, nicht einer, sondern der meines Buben. Für mich jetzt nicht unbedingt ein Anlass ausgelassener Freude, das muss ich zugeben. Mein Zugang zur Kirche ist eher besonders, mein Zugang zum familiären Clan noch besonderer. Aber es kann eben nicht immer die Sporthalle sein, in der ich euphorisch meine Mutterliebe zur Schau stelle, es ist eben dieses Mal die Kirche. Ein Ort der Besinnung. Ja eh. Die Aufzählung der unsagbar vielen Kuriositäten erspare ich uns. Gekeppel, Gewusel, Gezupfe … ohne Ende. Alle wissen scheinbar alles, in permanenter Überzeugung der Nabel der Welt zu sein. Eine Kombination, die mich immer wieder ermüden und zweifeln lässt. An Allem. Aber einerlei. Der feierliche Einzug ... das ganze Spektakel ... Bischof ... viele Kostüme und einige Kostümierungen ... viele Anzüge ... viele Schuhe, die für die Füße, die sie tragen, eine ganz offensichtliche Qual sind. Viele quengelnde Kinder, die ich nur allzu gut verstehen kann … Beten … singen … turnen (aufstehen … niedersetzen … aufstehen … niedersetzen …) … glauben … wiedersagen … preisen … heucheln … die ganze Palette. Ich stehe ganz hinten. Wirklich GANZ hinten. Lehne an einer mächtigen, kalten Steinsäule und beginne gerade gedanklich abzudriften. Den Altar samt Firmlingen im Blick, ohne wirklich hinzusehen. Die Ohren schon längst nicht mehr bei den Worten, die gesprochen werden. …  da passiert etwas Seltsames. Ein Lichtstrahl fällt durch ein Kirchenfenster und trifft auf einen blonden Kopf. Den Kopf meines Sohnes. Ich nehme es zuerst gar nicht richtig wahr, erst als er mit seinen Händen seine Haare berührt, berühren sie irgendwie auch mich. Rütteln mich wach und lassen mich diesen kleinen Zauber sehen. Niemand außer mir scheint es zu bemerken. Niemand schenkt mir dieses verschwörerische Zwinkern, das dieses plötzliche und gleichzeitige Erkennen mit sich bringt. Niemand macht irgendwas. Nur ich. Nämlich begreifen. So unerwartet. So schön. Mein kleiner Bub … so groß!!! Die Tränen kullern, wie immer in solchen Momenten. Ein Taschentuch wandert in meine Richtung, wie immer in solchen Momenten. Und ich glaube vor Glück zu zerplatzen, wie immer in solchen Momenten.

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Stapel Zeitungen
 ...auf der BOKU ist was im Hollerbusch...
                                                                9. April 2018

...auf der BOKU ist was im Hollerbusch...

Zum Skandal hat´s nicht ganz gereicht. Entweder ist dem denkenden Leser die subjektive Berichterstattung schlicht und ergreifend zu blöd oder das Esoterik-Energetik-Thema hat sich mit der Causa Krankenhaus Nord austhematisiert. Sich quasi selbst energetisch entladen. Beides wäre wünschenswert. Kurz sei erklärt: Im Zuge des Energieringdesasters rund um das leidige Bauprojekt KH Nord wurde von den Medien überall herumgestirlt in der Hoffnung, irgendwo das Verschwinden öffentlicher Gelder in parallele Esoterikwelten aufzuspüren. Wer nur tief genug bohrt, der findet auch. Und wenn nicht, dann er-findet er halt. Der Kurier berichtet am 3.4.: Es war im Jahr 2006, als der Wiener Wirtschaftsförderungsfond … der Universität für Bodenkultur den Auftrag für eine „landschaftsstrukturelle und geomantische Studie“ zum ehemaligen Flugfeld in Aspern erteilte … Ein achtköpfiges Team der BOKU arbeitete unter der Leitung von Erwin Frohmann an der Studie, die – wie unlängst via Profil bekannt wurde – einem Hollerbusch „spezifische energetische Eigenschaften“ bescheinigte. Dazu ein Foto des Exner-Hauses der BOKU, unter anderem Heimstätte des Instituts für Landschaftsarchitektur, stellvertretender Institutsleiter Erwin Frohmann. Als Dach wird dem Gebäude ein überdimensionaler Hollerbusch – als grüne, irrationale Note – aufgesetzt. Negativ kommentiert wird noch von Florian Aigner, es sei schlichtweg ein Skandal, bevor die komplette Studie von Krista Federspiel, Mitglied der Gesellschaft für kritisches Denken – natürlich kritisch betrachtet – in den Boden gestampft wird. Nun könnte mir ja ein Artikel im Chronikteil des Kuriers ziemlich wurscht sein, aber: Ich hege den Verdacht, dass der gemeine Kurierleser – vom Wünschelrutengehen und Baumumarmen weit entfernt – dank dieses aussagearmen und einseitigen Berichts durchaus den Eindruck gewinnen könne, an der BOKU werde unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Forschung esoterischer Schnickschnack gelehrt. Nun wird ja der Lehre, der Bildung im Allgemeinen bedauerlicherweise ein nicht so hoher Stellenwert eingeräumt, der Umstand aber, mit öffentlichen Geldern könne möglicherweise ein bisserl energetisch-schlampig umgegangen werden, ist Grund genug für eine Seite im Boulevard. Es ist nur so: Erwin Frohmann ist einer der innovativsten Lehrenden an der BOKU. Ich habe ihn kennengelernt als jemanden, der die Landschaft LEBT. Nicht nur, indem er sie plant, gestaltet, vitalisiert und revitalisiert. Sondern indem er sie wahrnimmt. Auf eine ganz besondere Weise. Mich als Studentin hat er den Raum fühlen lassen. Mir gezeigt wie es ist, ihn LEIB-haftig zu spüren. Er hat mich zum Weitermachen inspiriert. Hat mir – als mein Diplomvater – den Blick geöffnet für eine Art der Wahrnehmung, ohne die mein Leben mit Sicherheit anders verlaufen wäre. Ärmer. Ärmer an Eindrücken. Ärmer an Empfindungen. Und das wäre schade. Sehr schade sogar. Und hätte meine Diplomarbeit damals monetäre Mittel erhalten, würde auch das möglicherweise eine Seite des Kuriers füllen. Wenn auch nicht im Chronik- sondern im Kulturteil. Denn „Das Landschaftsbild im Bühnenbild“ ist auch nicht gerade vollgestopft mit wissenschaftlichen Beweisen und bahnbrechenden Forschungsergebnissen. Wie dem auch sei. Mit dem Kurier kann ich leben, oder nicht-leben, je nach Stimmung und Anspruch. Was mich aber wirklich zur Weißglut bringt – ohne dabei auf einem Energiefeld zu sitzen – ist der von objektiver Berichterstattung meilenweit entfernte, armselig recherchierte und peinliche Artikel im Profil vom 23.4.. Das ist keine Berichterstattung, nicht einmal eine subjektive. Das ist eine Meinung, die offenbar jeglicher intensiven Beschäftigung mit diesem Thema entbehrt. Und das in einem NACHRICHTEN-Magazin, wie das Profil ja nie müde wird von sich zu behaupten. Ein stapfender Geomant, der für 19 000 Euro glaubt, energetische Plätze aufspüren zu können. Eine krude Arbeit, Gurus, abenteuerliche Voodoo-Praktiken und windige Charaktere. Und all das in einem Magazin, das an sich selbst den Anspruch stellt, liberal und objektiv zu sein? Ethisch doch ein wenig bedenklich. Die BOKU als Universität des Lebens genießt ihre Forschungsfreiheit, geleitet von Verantwortung und Reflexion ethischer Werte und Grundsätze. Vielleicht sollten wir trotz aller Pluralität dennoch versuchen, eine Wertsetzung zu schaffen, die wir alle tragen können. Die wir alle teilen können. Ein WIR statt ein ICH. Das wäre doch was! Ich bin dabei! Wer nur tief genug bohrt, der findet auch. Und wenn nicht, dann er-findet er halt. Der Kurier berichtet am 3.4.: Es war im Jahr 2006, als der Wiener Wirtschaftsförderungsfond … der Universität für Bodenkultur den Auftrag für eine „landschaftsstrukturelle und geomantische Studie“ zum ehemaligen Flugfeld in Aspern erteilte … Ein achtköpfiges Team der BOKU arbeitete unter der Leitung von Erwin Frohmann an der Studie, die – wie unlängst via Profil bekannt wurde – einem Hollerbusch „spezifische energetische Eigenschaften“ bescheinigte. Dazu ein Foto des Exner-Hauses der BOKU, unter anderem Heimstätte des Instituts für Landschaftsarchitektur, stellvertretender Institutsleiter Erwin Frohmann. Als Dach wird dem Gebäude ein überdimensionaler Hollerbusch – als grüne, irrationale Note – aufgesetzt. Negativ kommentiert wird noch von Florian Aigner, es sei schlichtweg ein Skandal, bevor die komplette Studie von Krista Federspiel, Mitglied der Gesellschaft für kritisches Denken – natürlich kritisch betrachtet – in den Boden gestampft wird. Nun könnte mir ja ein Artikel im Chronikteil des Kuriers ziemlich wurscht sein, aber: Ich hege den Verdacht, dass der gemeine Kurierleser – vom Wünschelrutengehen und Baumumarmen weit entfernt – dank dieses aussagearmen und einseitigen Berichts durchaus den Eindruck gewinnen könne, an der BOKU werde unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Forschung esoterischer Schnickschnack gelehrt. Nun wird ja der Lehre, der Bildung im Allgemeinen bedauerlicherweise ein nicht so hoher Stellenwert eingeräumt, der Umstand aber, mit öffentlichen Geldern könne möglicherweise ein bisserl energetisch-schlampig umgegangen werden, ist Grund genug für eine Seite im Boulevard. Es ist nur so: Erwin Frohmann ist einer der innovativsten Lehrenden an der BOKU. Ich habe ihn kennengelernt als jemanden, der die Landschaft LEBT. Nicht nur, indem er sie plant, gestaltet, vitalisiert und revitalisiert. Sondern indem er sie wahrnimmt. Auf eine ganz besondere Weise. Mich als Studentin hat er den Raum fühlen lassen. Mir gezeigt wie es ist, ihn LEIB-haftig zu spüren. Er hat mich zum Weitermachen inspiriert. Hat mir – als mein Diplomvater – den Blick geöffnet für eine Art der Wahrnehmung, ohne die mein Leben mit Sicherheit anders verlaufen wäre. Ärmer. Ärmer an Eindrücken. Ärmer an Empfindungen. Und das wäre schade. Sehr schade sogar. Und hätte meine Diplomarbeit damals monetäre Mittel erhalten, würde auch das möglicherweise eine Seite des Kuriers füllen. Wenn auch nicht im Chronik- sondern im Kulturteil. Denn „Das Landschaftsbild im Bühnenbild“ ist auch nicht gerade vollgestopft mit wissenschaftlichen Beweisen und bahnbrechenden Forschungsergebnissen. Wie dem auch sei. Mit dem Kurier kann ich leben, oder nicht-leben, je nach Stimmung und Anspruch. Was mich aber wirklich zur Weißglut bringt – ohne dabei auf einem Energiefeld zu sitzen – ist der von objektiver Berichterstattung meilenweit entfernte, armselig recherchierte und peinliche Artikel im Profil vom 23.4.. Das ist keine Berichterstattung, nicht einmal eine subjektive. Das ist eine Meinung, die offenbar jeglicher intensiven Beschäftigung mit diesem Thema entbehrt. Und das in einem NACHRICHTEN-Magazin, wie das Profil ja nie müde wird von sich zu behaupten. Ein stapfender Geomant, der für 19 000 Euro glaubt, energetische Plätze aufspüren zu können. Eine krude Arbeit, Gurus, abenteuerliche Voodoo-Praktiken und windige Charaktere. Und all das in einem Magazin, das an sich selbst den Anspruch stellt, liberal und objektiv zu sein? Ethisch doch ein wenig bedenklich. Die BOKU als Universität des Lebens genießt ihre Forschungsfreiheit, geleitet von Verantwortung und Reflexion ethischer Werte und Grundsätze. Vielleicht sollten wir trotz aller Pluralität dennoch versuchen, eine Wertsetzung zu schaffen, die wir alle tragen können. Die wir alle teilen können. Ein WIR statt ein ICH. Das wäre doch was! Ich bin dabei!

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Suppe
                ...die Suppe lügt...
                                                                          19. Februar 2018

...die Suppe lügt...

… mit dieser Anfangswatschn holte uns der Journalist und Autor Dr. Hans-Ulrich Grimm – einer der Vortragenden am Tullner Zukunftsforum – auf den Boden der Nahrungs-Irrealität. Ich fasse zusammen: In einer Packerlsuppe, tituliert als Hühnersuppe, befände sich 2g Trockenhuhn. Das entspräche 7g Nasshuhn. Was um Himmels Willen ist ein Nasshuhn? Also: wenn das Henderl noch rennt und sich aller Körperflüssigkeiten erfreut. Oder eingequetscht in einer Katzenfutterdose zwar nicht mehr rennt und sich an noch weniger erfreut, aber eben noch nass ist. Oder eigentlich schon wieder nass ist. So genau wollen wir das aber gar nicht wissen. 7g also. Das erscheint mir nicht besonders viel. Vielleicht ein Zehntel vom linken Haxerl? Von einem glücklichen, bladen 3 kg Henderl kann man also geschätzte 428 Sackerl nahrhafter Hühnersuppe produzieren, von einem dürren, dem Burnout nahen immerhin noch an die 300. Warum verbrauchte meine Oma dann immer ein ganzes Federvieh für nur EINEN Suppentopf? Völlige Verschwendung. Auch in Hinblick auf die steigende Bevölkerungszahl und die damit höchst unsichere Welternährung ist es äußerst beruhigend, so sparsam und effektiv einen wertvollen Beitrag leisten zu können. Denn die gute alte Hühnersuppe, der Immunsystemerhalter und –wiederhersteller, der fleischgewordene Inbegriff fürs G´sunde ohne jemals fleischgeworden zu sein kann nun auch in Somalia und dem Sudan für suppenlöffelnden Optimismus sorgen. Und wenn wir ganz besonderes Glück haben, erwischen wir sogar ein depressives Batteriehenderl, dann sind auch noch gleich ein paar Antibiotika mit von der Partie. In einem Smoothie ist kein Hendl, weder nass noch trocken. G´sund ist er trotzdem. Vorausgesetzt man nimmt ihn gemächlich in Zeitlupe, aufgeteilt auf einen halben Tag, zu sich. Warum? Weil: kauen wir Obst, versorgen wir Geist und Körper – je nach Kaugeschwindigkeit und Kautyp – LANGSAM mit Zucker. Ein Apferl da, ein Beerchen dort … die Organe freuen sich, die Leber schreit Hurra! Schenkt man Sich und seinen Eingeweiden binnen weniger Sekunden einen dieser pürierten Vitaminbomben, weiß der Körper nicht wohin mit so viel Zucker. Und wie immer, wenn Wer-auch-immer nicht weiß, wohin mit Was-auch-immer, hängt er es der Leber um. Die muss jetzt nicht nur den Frust darüber wettmachen, dass eine Eierspeis´ mit Speck das genussreichere Frühstück gewesen wäre, sondern auch noch die Riesenportion Zucker verkraften. Und Schwupps, schon ist sie eine nichtalkoholische Fettleber. Ewig schad´, finde ich. Denn wenn schon Fettleber, dann doch bitte mit vorherigem ausgiebigen Alkoholkonsum! In nahezu allem, was wir zu uns nehmen, ist Citronensäure drin. Nur nicht in der Zitrone. Naja, schon auch! Aber bei der Herstellung von Fertiglasagne und Co. wird meist auf das Beträufeln mit der Biozitrone verzichtet und stattdessen auf die Citronensäure, einer aus Schimmelpilz gewonnenen Substanz zurückgegriffen. Ich finde die Vorstellung bezaubernd, mit einem Stück Lasagne auch einen evolutionären Einzelgänger wie den Pilz verdauen zu dürfen. Der ja immer in so einer Art Dilemma lebt: keine Pflanze, kein Tier, … Rücktritt oder doch lieber Rücktritt vom Rücktritt, sehr eigen eben. Dank Marketing grinsen uns aber trotzdem von nahezu allen Packungen die glücklichen, gelben Zitronen entgegen. Was für ein Segen, denn mit einem solchen Übermaß an Suggestion ist das Leben ja viel leichter. Und Ehre wem Ehre gebührt. Die C- Z-itronensäure ist nicht irgendeine Säure. Sie ist so mannigfaltig, ja fast revolutionär. Pilz-ig eben. Sie macht Lebensmittel haltbar, bringt den Schmelzkäse zum Schmelzen und den Zahnschmelz zum Verschwinden. Quasi in einem Aufschmelzen. Sie kann ungeniert fahnenschwingend durch unsere Blut-Hirnschranke marschieren. Am besten noch mit einem Aluminiummolekül am Buckel. Dann nämlich werden wir, bei ausreichender Zufuhr dieses Metalls, ein wenig vergesslich. Toll, denn mit einer Fettleber und kaputten Zähnen kann so ein wenig Demenz nur hilfreich sein. Zu verdanken haben wir dies alles unter anderem der Tatsache, dass bei den Jahrestagungen der CCNFSDU, dem Komitee für Ernährung und Lebensmittel für besondere Ernährungszwecke, das Verhältnis von staatlichen „unabhängigen“ Organisationen und „Beobachtern“ aus Industrie und Wirtschaft im Durchschnitt 2:7 beträgt. Das lässt hoffen. Ich vertraue gerne und immer. Ganz besonders Menschen, die das Geld anderer verwalten. Und wenn wir uns anstrengen, werden sich die Ravioli in Zukunft nicht mehr bis 2019 halten, sondern bis 3047.

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Masken
...hmm...3 ABER... einfach so...
                                                        3. Februar 2018

...hmm...3 ABER...einfach so...

… eigentlich wollte ich das gar nicht schreiben... ABER ... es ist nun schon die 237. WhatsApp, die ich lese, mit nahezu demselben Inhalt. Und deshalb diese Zeilen. Morgen kommt ein fröhlicher Text, ich versprech´s. ABER ... heute liegt irgendwas in der Luft. Und das ist mit Sicherheit keine Lei-Lei-Stimmung. Vielmehr ist es eine Art von Melancholie. Ein tiefsitzendes Gefühl von Schwermut. Und damit stehe ich ganz offensichtlich nicht alleine da. Niemand strahlt, niemand ist in Feierlaune. Nicht einmal die vielen Krapfen-Kalorien lassen uns frohlocken. Keine Heiterkeit, keine gesellschaftliche Geselligkeit. Und das am Faschingsdienstag! Vielleicht ist es das Wetter. Sicher sogar. Grau in Grau, und das seit gefühlten fünf Monaten. Da kann man kübelweise Vitamin D in sich hineinschütten ändert das nichts an der Tatsache, dass so ein bisserl Sonne im Gesicht schon mal gut täte. Oder die Sterne. Wahrscheinlich streitet irgendein Sternenhaufen gerade mit einem anderen und das ganze negative Hickhack schießt quer durchs ganze All auf unser kleines graues Österreich. Z´fleiß. Oder die Politik … die rinnende Nase … die Tatsache, dass die Jeans immer enger wird … finden ließe sich Vieles. ABER ... MÜSSEN wir es denn immer finden. Geht´s uns besser, wenn wir das Weshalb benennen können? Vielleicht ist es heute einfach nur ein gemeinschaftliches Traurigsein. So eine gleichgesinnte ein bisserl schief geratene Seelenlage. Die es halt Hie und Da braucht. Wir können natürlich gemeinschaftlich mit Mozart und Rotwein dagegen antreten? Oder uns gemeinschaftlich die Seele aus dem Leib rennen? Gemeinschaftlich Verdrängen? Gemeinschaftlich Lächeln und uns gemeinschaftlich endlich mal Zamreißen? Wir können aber auch einfach alle miteinander ein bisserl traurig sein. Eigentlich auch schön!

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Meer
...die Macht der Wellen...
                                                                            5. Februar 2018

...die Macht der Wellen...

Der Winter an sich ist ja schon nicht Meins. Der Jänner und der Februar sind aber der Gipfel des Nicht-Mein-Seins. Da schaut die Natur aus, als würde sie nie wieder erwachen wollen, und manchmal täte ich es ihr gerne gleich. Genau deshalb, um diesem trostlosen Grausinn zu entfliehen, saß ich letzte Woche im Flieger Richtung Sonne. Meiner Sonne. Dahin, wo mein Parallel-Ich wohnt. Familientechnisches Hin- und Herschaufeln machten es möglich, weil: es immer möglich ist, möglich sein sollte, möglich sein müsste. Wenn man es SEHR will. Und dieses Mal wollte ich es sogar MEHR als sehr. Es ist nur so: ein paar Tage im Jahr herrscht auf Teneriffa der Ausnahmezustand. Heuer von 27. Jänner bis 2. Februar. Man weiß das Datum leider vorher nicht genau, sonst könnte man sich ja darauf einstellen und dementsprechend handeln. Nämlich: Flug verschieben oder drei Koffer mit nordpoltauglicher Kleidung mitnehmen. Und nicht wie ich: ein Handgepäckskofferl mit Zahnbürste, Bikini, … und sonst nix. Fast nix. In diesen sechs Tagen nämlich treffen sich der Dios del Clima, der Dios del Mar, der Dios de la Montana und mein ganz persönlicher Gott zu einem lustigen Quartett und lassen so richtig die Sau raus. Mit Wassermassen von oben, gigantischen Wellen von unten, einem hämischen Lachen von Seiten der Berge, gespickt mit einem süffisanten „Ätsch“ meiner persönlichen Gottheit. Zum Verzweifeln. Zwei Tage lang ertrage ich die 12 Grad, gehüllt in drei Decken, zwei Paar Socken und einem speibgrünen Flanellpyjama mit Tannenbäumchen aus 100 Prozent spanischem Polyacryl. Der einzige Ort, der sich in erträglicher Geschwindigkeit erwärmt, ist das Auto. Ich drehe den Heizungsknopf bis zum Anschlag, während der Scheibenwischer das tut, was er auf den Kanaren sehr selten tun muss: nämlich Wischen. Ich bitte, bettle und bete, doch die illustre Götterrunde verhöhnt mich mit einem spöttischen Wolkenloch, das mir für zehn Minuten zeigt, wie es sein könnte, wäre eben nicht gerade jetzt das jährliche Stell-Dich-Ein der Gottheiten. Zwei Tage. Und dann geschieht das, was eben nur an diesem Ort geschehen kann. Ich schäle mich aus den Decken, Socken und Tannenbäumchen und widersetze mich der Lethargie. Sage mir, es muss doch einen Sinn haben, warum ich von 365 Tagen im Jahr genau diese sechs erwische. Ich gehe zum Strand, klettere über die rutschigen, nassen, schwarzen Steine, bis ganz vor, wo die Wellen mich fast erwischen. Es ist kalt. Mir ist kalt. Ich stehe da, nass vom Regen und der Gischt, schaue in diese perfekte Unendlichkeit und erkenne den Sinn. Eine riesige Welle der Gefühle packt mich und reißt mich mit. Die Tränen vermischen sich mit Regentropfen und Salzwasser. Sehnsucht ... Schmerz ... Trauer … Erinnerungen ... Dankbarkeit ... Glück ... Alles liegt so nah beieinander und offenbart sich mir in seiner vollendeten Gesamtheit. Diese Macht der Wellen, dieser immer wiederkehrende Rhythmus ... aufbauen, brechen, abdriften, wiederkommen ... dieser niemals enden wollende Kreislauf ist wie ein Spiegel. Man muss nur den Mut haben, sich darin zu sehen. Und annehmen, was er einem zeigt. Dann verlieren die zuvor so mächtigen Gedanken ihre Schwermut. Werden leicht, bis sie sich schließlich auflösen und mit einer Welle verabschieden. Was bleibt ist eine Leere. Ein unendliche, aber reine, unschuldige Leere. Auf die es sich aufzubauen lohnt. Ich weiß nicht, was dieser Ort jedes Mal wieder mit mir macht. Aber er macht es. Schonungslos. Und genau deshalb wird er mich nie wieder los … … er ist eben sehr speziell … ... am besten mit diesem Song in Endlosschleife auf maximaler Lautstärke … https://www.youtube.com/watch?v=M_cniFJ4Ow8   "keep that letter save" ab Minute 50

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Straßen
               ...leben! spüren!..
                                                                           17. Jänner 2018

...leben! spüren!...

Klassentreffen in Chill-Atmosphäre. Herrlich. Ich mag das. Wie ein Geschenk, das ich auspacke und all die längst vergessen geglaubten Erinnerungen purzeln mir entgegen. Ich fühle mich augenblicklich zurückversetzt in die Zeit von Viertel-Telefonen, Aha und Nena und genieße diese ganz spezielle Vertrautheit, die einen nur mit Menschen verbindet, mit denen man die Pubertät durch-lebt, die ersten sexuellen Erfahrungen er-lebt und den Beginn des Alkohols über-lebt. Ich quassle mit den vielen Mündern, die ich anno dazumal geküsst habe und lasse schöne und weniger schöne Erlebnisse revuepassieren. Gefühlvoll, kraftvoll, stark … also genau Meins! Beim letzten Auspacken eines solchen Erinnerungs-Packerls fragt mich einer dieser Münder, ob ich einen Text für seine neue Website schreiben könne. Und weil ich mit 13 in eben diesen Mund unsterblich verliebt war, und das ja noch gar nicht SO lange her ist, sage ich: Liebend gern! Aber: die Abonnentinnen und Abonnenten dieser Seite sind interessiert an knallharten Motorradfacts und nicht an sentimentalem Gesülze über türkische Weihnachtswunder. Der Kussmund mir gegenüber sagt: WURSCHT! Na bitte … … vor ein paar Monaten: Mann ist mit Nachwuchs irgendwo in den Alpen unterwegs. Männerurlaub. Wunderbar. Ich bin mit mir zu Hause unterwegs. Frauenurlaub. Noch wunderbarer. Scheinbar bewegt durch die Kraft der Sentimentalität plumpst eines Nachmittags eine Fotokiste aus dem Regal. Unzählige Kuriositäten flattern über das Parkett und blicken mich vorwurfsvoll an. Insbesondere eines bleibt beinahe verhöhnend direkt neben meinem Zecherl liegen: es zeigt eine Gruppe junger Erwachsener auf Motorrädern, inmitten eines Olivenhains, Toskana 1995. In meinem Kopf beginnt es zu brodeln, ich spüre, wie sich ein Gefühl der Sehnsucht einen Weg in meine Gedanken bahnt und ich google: Motorradverleih. Nur so aus Interesse! Und dann rufe ich an. Auch nur so aus Interesse! Ernst nehme ich die Sache nicht. Nicht wirklich. Und wie sich in den nächsten Minuten herausstellen soll, mein Gesprächspartner, ein Verkäufer der besonderen Art, auch nicht. Ich: Ich würde mir gerne ein Motorrad ausleihen. Er: Gerne. Wann? September? Oktober? Ich: Morgen. PAUSE Er: Oh! PAUSE Er: Was sind sie denn zuletzt gefahren? Ich: Honda. Transalp. Er: Sie haben Glück. BMW F 800 GS. Morgen. Ab 13 Uhr. Ich: Wunderbar. Ich brauche aber auch einen Helm. PAUSE Er: Sie haben keinen Helm? Ich: Nein. Ich hab´ ja auch kein Motorrad. Er: Ah … wir werden sicher einen auftreiben. Na bitte. Geht doch. Die Schilderung meiner Panikattacken, die diesem Telefonat folgen, erspare ich uns hier. Nur so viel: ich bin zwar EIN Jahrzehnt Motorrad gefahren, aber seit 13 Jahren auf keinem mehr gesessen. Ich schaffte es, mich während der kompletten zehn Jahre ausnahmslos im Sitzen fortzubewegen, was heißt: ich habe mein Motorrad kein einziges Mal geschoben. Aus reinstem Respekt vor diesem Gewicht und der daraus resultierenden ehrlichen Angst, es könnte kippen! Ich konnte ganz gut fahren, aber grottenschlecht stehen, weil meine Beine genau diesen Tick zu kurz waren um das Gleichgewicht sicher halten zu können. Und da ich dem Alter, in dem man an Größe gewinnt, knapp entwachsen bin, liegt der Verdacht nahe, dass der Balanceakt 13 Jahre später nicht weniger beschwerlich sein würde. Ich habe eine vage Vermutung, wo sich Gas, Kupplung und Bremse befinden, aber keinen Schimmer mehr, mit welchem Fuß ich schalten muss. Überdies hinaus Nichts -aber auch rein gar nichts- was nur annähernd einer adäquaten Motorradbekleidung gleichkommt. Die Chancen also, diesen Wahnsinn ohne eine Baumumwicklung zu überleben stehen eher schlecht. Logische Konsequenz: Absagen! Also betrete ich am nächsten Tag bei 32 Grad in Daunenjacke, Jeans und Converse den BMW-Palast in Heiligenstadt. Der Verkäufer lächelt beim Anblick meiner Statur und meines Outfits ein tapferes, sehr tapferes Lächeln und versucht mit Schmäh und Courage seine Zweifel zu verbergen. Mit mäßigem Erfolg. Logische Konsequenz: Absagen! Also sitze ich zehn Minuten später auf einer BMW F 800 GS und berühre -wie nicht anders zu erwarten- mit den Zehenspitzen den Boden. Dieses Riesending wiegt das 4 ½-fache meines Körpergewichts und meine Oberschenkel, die das Ganze halten sollen, sehen neben diesem Tank einfach lächerlich aus. Die bis dato noch nie so logische Konsequenz: weg da! Sofort! Zwei Minuten später fahre ich los. Kopfsteinpflaster, eine Gehsteigkante und die Bim, die aus purer Bosheit just in diesem Moment daherbretteln muss, lassen mich um Jahre altern. Minuten der Angst, der Wut und der Verzweiflung vergehen … aber immerhin klebe ich an noch keinem Baum. Ich lasse die Stadt hinter mir … die ersten Kurven. Ich öffne das Visier und atme durch. Tief! Die Anspannung lässt nach. Mein Körper meldet sich zurück und macht bereitwillig, ganz von alleine, all die Dinge, die er 13 Jahre lang nicht getan hat. Die Oberschenkel entkrampfen sich und schmiegen sich eng an die Seiten des Tanks, bilden mit dieser Ummantelung einen gemeinsamen Schwerpunkt. Der Oberkörper beugt sich leicht in Richtung Lenker, der Hintern ist angespannt und beginnt das Manövrieren in den Kurven zu übernehmen. Es ist wie eine Verschmelzung und eine Erfüllung aller Sinne. Die Gerüche, die sich in das Innere des Helmes schleichen, die Licht- und Schattenspiele, die einen fast verrückt werden lassen. Der Wind, der überall zu spüren ist, einen belebt und gleichzeitig fröstelnd lässt. Und diese Taubheit … fast wie unter Wasser. Nur das Brummen des Motors und diese Vibration, deren Intensität man selbst steuert. All diese Eindrücke zum Greifen nah. Hoch konzentriert und doch befreit. Der Sonne, der Freiheit entgegen. Alle Skrupel sind vergessen. Was zählt ist das Hier und Jetzt. Das Gefühl, das sich ausbreitet, ist überwältigend. Und vertraut! Vier Stunden später betrete ich deutlich entspannter als beim ersten Mal die BMW-Hallen. Mein Verkäufer erblickt mich und grinst. Nicht mehr tapfer, sondern WISSEND. Ich grinse auch. Wir sagen nichts!

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Weihnachten
  ...ein wienerisch-türkisches Weihnachtswunder...
                                                                                                         20. Dezember 2017

...ein wienerisch-türkisches Weihnachtswunder...

Zwei Premieren in einem Blog: 1) Ich habe noch nie jemandem einen Text gewidmet. Diesmal schon: Bettina, This one´s for you! 2) In all meinen Blogs geben sich Übertreibungen, ironisch-sarkastische Spitzfindigkeiten und süffisante Wortpassagen die Klinke in die Hand. Oft nur, weil die mangelnde Botschaft dahinter nach genau diesem versuchten Wortwitz verlangt. Aufgepeppt mit kleinen Flunkereien - hie und da. Sonst würde es ja keiner lesen. Dieses Mal nicht: es war genau SO! Eine Freundin bittet mich, während sie Bauch, Bein & Po fünf Wochen in die Südseesonne hält, ihr Grünzeugs zu gießen und das Postkasterl regelmäßig vom Angebotswahnsinn zu befreien. Klar. Kein Problem. Sehr gerne sogar. Ich liebe Wien, und ganz besonders in der Vorweihnachtszeit. Kann ich doch das Gießen eventuell mit einer spontanen Mit-mir-Allein-Session verbinden und ungehemmt nackert in der Wohnung herumhüpfen, zu Sünden aus den 90-ern mitgrölen, zu Klassikern mitschluchzen und was auch immer tun, wo ein Publikum deutlich stören und leicht irritiert das Weite suchen würde. Also: Schlüsselübergabe, Busserl links, Busserl rechts und gute Reise. Ein paar Tage später vernehme ich die Hilferufe eines verdurstenden Philodendrons, auch Baumfreund genannt, mache mich eher unentspannt auf den Weg. Gieße … hüpfe … gröle … schluchze … und spaziere Stunden später deutlich entspannter wieder von Dannen. Und weil das Hüpfen gar so schön war und Pflanzen ja auch nicht so gerne alleine sind, begebe ich mich zwei Tage darauf wieder in Richtung Erholungsparadies. Schaue - nur so - ob der Wohnungsschlüssel eh in der Tasche ist. Ist er aber nicht! Daraufhin folgt ein mehr oder weniger panisches Suchen. Um sechs Uhr früh. Durch mein am Beginn noch leises Fluchen ist auch der über dem Handy hängende Sohn aus seinem Dämmerzustand erwacht und hilft. Was heißt, er macht ein Laderl auf, sagt Da ist er nicht und macht wieder zu. Um mich dann zu fragen, nach was wir denn eigentlich suchen. Ich durchforste in der Zwischenzeit Jackentaschen, Plastiksackerln, Kofferraum, krieche unter Autositze, fluche, schwitze, fluche wieder, finde einen Haufen Lurch, aber keinen Schlüssel. Nun sagt man mir in Freundeskreisen einen gewissen Hang zum Dramatischen nach. Und ich pflöge eine durchaus innig-harmonische Beziehung mit meinem Kontrollfreak-Teuferl. Eine völlig verzerrte Darstellung meines Charakters. Fact ist, ich habe noch NIE etwas verloren und NICHT wiedergefunden und es ist 6:45 und spätestens um 7:15 kippe ich um, sollte ich dieses verdammte Ding nicht endlich finden. Durchatmen, OOOHHHMMM, Freundin das Drama gestehen. Diese allerdings, gechillt in der Hängematte oder den Armen eines Barkeepers liegend, sieht die Sache eher entspannt. Nennt mir Namen und Adresse eines Ersatzschlüsselbesitzers und gibt sich scheinbar unbeeindruckt wieder den wichtigen Dingen im Leben hin. Auf dem Weg in Richtung Drittschlüssel, mache ich das, was ich am besten kann. Ich zermartere mir das Hirn. Lasse die Zeit nach der letztmaligen Sichtung des Schlüssels im Sekundentakt revuepassieren. Und komme, wie fast immer, wenn ich denke, zu keiner Lösung. Fahre aber trotzdem – einer inneren Stimme folgend – noch einmal zum mittlerweile schicksalshaften Wohnobjekt. Obwohl es so ganz und gar nicht am Weg liegt und ich – so sagt man – ja nicht gerade in die Kategorie: Spontan-lässig-schauma-mal passe. Aber es wäre ja möglich, dass an exakt der Stelle, wo vor zwei Tagen mein Auto parkte, zufällig einsam glänzend ein Schlüsselbund wartet. Hm… ich beginne zu suchen. Grauslich was einem da so alles entgegenkeucht und fleucht, - wächst, - kriecht und krabbelt. Nur kein Schlüssel. Ich steige wieder ein, atme durch und starre vor mich hin. Auf einen schwarzen Müllcontainer, der mir winkend engegenrufen zu scheint: Schau mal, auf mir klebt was! Weils eh schon wurscht ist, steig ich noch mal aus und lese: Schlüssel gefunden! – Herr … Telefon … Ich glaube es nicht! Rufe an, gehe drei Häuser weiter, renne in den 4. Stock, kollabiere beinahe und läute. Vor mir steht ein Mann. Einen Kopf kleiner als ich, mindestens 4-mal so breit, glänzende Glatze und glühendes Lächeln in einem kugelrunden Gesicht. Er bittet mich mit türkischem Akzent und einer einladenden Handbewegung in die Wohnung. Besser gesagt, in ein Vorzimmer, das seine Wohnung darstellt. Küche, Dusche, Radio, Sofa, Tisch, Radio, EIN Sessel, den er mir sofort anbietet, und ein drittes Radio. ALLES in EINEM Zimmer. Es riecht nach türkischem Kaffee, den ich schweren Herzens ablehne. Weiß ich doch, dass ich dann frühestens zu Silvester wieder schlafen kann. Kein Fenster, nur die Eingangstüre. Dann fragt er mich, wie der Schlüssel aussähe. Ich beschreibe, so gut ich kann. Er hört konzentriert zu, grinst, greift in seine Hosentasche und drückt mir den Bund in die Hand. Ich bleibe noch sitzen, warum, weiß ich nicht. Er steht neben mir und wir sind beinahe gleich groß. Was jetzt passiert, ist der Grund, warum ich das hier schreibe. Ich frage ihn, wie ich mich bei ihm bedanken könne. Er sieht mir direkt in die Augen, anders als vorher, zeigt mit beiden Händen langsam rund um sich, legt die linke dann auf seine Brust und nimmt mit der rechten meine Hand. Und dann sagt er mit einem unglaublich zufriedenen Blick: Danke, ich habe ALLES! In diesem Moment breitet sich in mir eine Wärme aus, die ich zwar kenne, aber schon vergessen glaubte. Eine Dankbarkeit unendlichen Ausmaßes. Ein reicher Mann, ein sehr reicher Mann, vielleicht der reichste, der mir in den letzten Jahren begegnet ist. Und er schenkt mir einen seiner Schätze. Einfach so. Mit einer Geste und einem Satz. Einem Blick und einem Lächeln. Ich lächle zurück. Anders als zuvor. Und wir beide merken, es hat sich was verändert. Und in seinen Augen kann ich in einer enorm mächtigen Deutlichkeit lesen, WIE er zu seinem unglaublich großen Reichtum kam! In diesem Sinne, ein gütiges Weihnachtsfest!

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Händchen halten
...die Blätter, die Äcker, der Tod...
                                                    1. November 2017

...die Blätter, die Äcker, der Tod...

Der Vater eines guten Freundes ist vor einigen Tagen verstorben. Und bumm! ist es wieder da. Dieses Gefühl, als wäre es gestern gewesen. Es ist nun 16 Jahre her, dass mein Vater von mir ging. Wohin, weiß ich nicht. Es ist eben dieses Wissen, nichts zu wissen, im Zusammenspiel mit der unendlichen Traurigkeit, die den Verlust eines geliebten Menschen fast unerträglich machen. Und ganz besonders im Herbst ist dieses Gefühl intensiv wie sonst nie. Da kullern Tränen über die Wangen, Blicke gleiten ins Nichts und verharren dort eine Ewigkeit. Ohne Hinzuschauen. Die Natur lebt uns das vor - loslassen. Und ob wir wollen oder nicht, wir schauen zu. Wenn der Frost und die Dunkelheit die Blätter zu Boden fallen lässt, wenn die Gräser braun werden und die Äcker leer, dann ist vielleicht die beste Zeit sich auf das Loslassen einzulassen. Die Gedanken an den Tod nicht wegzuschieben, nicht den Anfang und das Ende zu sehen, sondern den Kreislauf. Wenn ich an meinen Vater denke, spüre ich seine Hand auf der meinen, wie sie mir Kraft gibt und sich gleichzeitig an mir anhält. Ein liebevolles Geben und Nehmen. Ich streiche mit meiner Hand über seinen Unterarm, seine weißen weichen Haare stellen sich durch die Berührung elektrisiert auf und ich blicke in seine blauen, unendlich müden und kranken Augen, die mir sagen, Alles ist gut. Und jedes Jahr werden diese Tränen weniger und weichen einem zögerlichen Schmunzeln. Das ist es, was ich meinem Freund versprechen kann. Die Jahre heilen, und ganz besonders der Herbst!

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Arbeit am Laptop
   ...liken, linken und gelinkt werden...
                                                                                11. Juli 2017

...liken, linken, gelinkt werden...

Es ist erschreckend, wie manipulierbar doch der Mensch ist. Zudem man sich der Tatsache, manipuliert worden zu sein, ja erst beim „bösen Erwachen“ bewusst wird. Erwacht man nicht und schläft friedlich weiter, wird man zwar genauso auf verheerende Weise irregeführt, ist aber -zum Glück- zu blöd es zu merken. Denke ich über diese Dunkelziffer unerkannter Manipulationen nach, kommt mir das nackte Grauen. Gestern Abend durfte ich leider auch nicht weiterschlafen, sondern wurde beim Lesen meiner Urlaubslektüre „Lügen im Netz“ wachgerüttelt und unsanft aus meiner Hängematte katapultiert. Ingrid Brodnig, ehemalige Profil Journalistin, schreibt darin zum Thema „Manipulation im Internet“: „Der Wächter“ ist ein Paradebeispiel für eine dubiose „alternative Medienseite“, wie sie in den letzten Jahren vermehrt im deutschsprachigen Raum aufgekommen sind (…) Unter dem Deckmantel der Anonymität verbreitet die Seite allerlei Verschwörungstheorien – vom vermeintlichen Wahlbetrug bis hin zum Dritten Weltkrieg, der angeblich kurz bevorstünde. Manche Texte dieser Seite werden gewiss rechten Lesern gut gefallen, andere eher kapitalismuskritischen linken Nutzern (…) auf Facebook hat der Blog inzwischen beachtliche 190.000 Fans. (Ingrid Brodnig, Lügen im Netz, Brandstätter, 2017) Falsch! 190.001! Nämlich mich, na wunderbar. Zwei Wochen zuvor passierte nämlich folgendes: ich sehe ein Video auf Facebook, like, teile und freu mich. Fataler Weise genau unter besagtem Blog „der Wächter“. https://www.facebook.com/waechter.investigativ/videos/1883665941858399 Kurz zur Erklärung: ein älterer Herr versucht anhand von 5600 Kaugummikugeln in Glaszylindern -Synonym für die 5,6 Milliarden Menschen, die unter der Armutsgrenze leben- das Misslingen der Migrationspolitik in den USA zu verdeutlichen, indem er ein! Kugerl -Synomym für die eine Million vom Kongress genehmigter Immigranten- herausfischt. Der Bevölkerungszuwachs dieser Länder beträgt 80 Millionen im Jahr, er nimmt wiederum 80 Kugerl und bringt damit den Zylinder zum Überlaufen. Ob er 1, 2 oder 5 Kugerl wegnimmt ist demnach vollkommen irrelevant im Vergleich zu den über 5000, die in den gläsernen Urnen bleiben und immer mehr werden. Anschaulich, einfach und effektiv erklärt er somit das Scheitern der amerikanischen Migrationspolitik. Die rosa Bonbons rollen ins zustimmend nickende Publikum und selbst die sichtlich gelangweilte vor sich hin gähnende Dame in der letzten Reihe scheint die Botschaft zu verstehen und hebt enthusiasmiert die rechte Augenbraue. Diese Darstellung mag einem gefallen oder nicht, Kaugummikugerl als Methapher für Armut mag geschmacklos sein oder nicht, das ist hier nicht das Thema. Wie ich aus verlässlicher Quelle weiß, sind diese Daten auch korrekt, was uns erzählt wird, ist also wahr, das ist hier allerdings auch nicht das Thema. Vielmehr die Tatsache, dass ich keine Sekunde die Seriosität dieses Beitrages angezweifelt habe. Und zwar zu Unrecht, wie sich gestern herausstellte. Ich, die mit ihrem Hang zu übermäßigem Hinterfragen ihre Mitmenschen regelmäßig in den Wahnsinn treibt. Der liebe Opa mit den Süßigkeiten hätte mir auch erzählen können, Merkel und Trump hätten sich in trauter Zweisamkeit die 5600 Kugerl untereinander aufgeteilt, ich hätte mit beiden Ohren wackelnd Hurra! geschrien, weil ich von der amerikanischen Einwanderungspolitik so viel Ahnung habe wie von der österreichischen Bundeliga. Das ist beschämend, aber wahr. Sich nicht über die Herkunft eines Postings zu informieren, bevor man Gott und zumindest einem Bruchteil der Welt mitteilt, es gefalle einem, ist naiv, ja sogar fahrlässig. Passierte das meinem Sohn, und ich erführe es, was aufgrund des mangelnden Mitteilungsbedürfnisses seinerseits ein Widerspruch in sich ist, wäre eine Standpauke über die Gefahren im Internet fällig. Ich dummes Huhn falle natürlich prompt auf die Nase – und folge dessen auch aus der Hängematte.

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Spielen am Strand
                             ...muss ich?
                                                                         29. Februar 2016

...muss ich?

Ich wurde zu einer Blogparade mit dem Thema Vorbild eingeladen. Wusste nicht wirklich etwas damit anzufangen. Bis sich herausstellte, dass ER dazu eine Menge zu sagen hat.   Hast du ein Vorbild? Was ist das? Jemand, den du toll findest So jemanden wie den Leo? Warum findest du den Leo denn toll? Weil er sich nie die Zähne putzt Naja, ich meine vielleicht eher jemanden, der etwas besonders gut kann Aber der Leo kann sich besonders gut NICHT DIE ZÄHNE PUTZEN Aber dann wird er bald Zahnschmerzen kriegen und das findest du dann nicht mehr toll Hm…vielleicht die Oma? Was kann denn die Oma besonders gut? Alles. Die Knödel und verlieren beim Schwarzen Peter und kuscheln Willst du mal so werden wie die Oma? Die ist doch ein Mädchen! Ich meine, so in der Art wie die Oma nur eben als Bub Das geht nicht. Ein Bub kann nicht so werden wie ein Mädchen. Dann schon lieber wie der Oskar Unser Nachbar? Wieso das denn? Weil er immer in seine Thujen pieselt Ja, so sehen sie auch aus. Was ist daran bitte toll? Er muss nicht extra auf Klo gehen. Das dauert immer voll lang Aber du hast doch Zeit Nein, hab ich nicht. Pieseln muss ich immer mitten im Spielen. Und wenn ich dann zurückkomme, weiß ich nicht mehr wo ich war, oder der Luis steht nicht mehr am Zaun oder Du schreist, dass wir jetzt fahren oder … Hast du Stress, mein Schatz? Beim Pieseln schon Das sollten wir ändern Biiiiiiieeeeette! Drum will ich so Thujen wie der Oskar Willst du wirklich mal so werden wie der Oskar? Muss ich? Nein! Aber wenn er dein Vorbild ist, dann findest du ihn ja toll und dann möchtest du vielleicht mal so werden wie er Ich weiß nicht. Ausschauen mag ich lieber wie der Papa vom Tim. Der hat so viele Haare auf den Füßen Ja, der kommt aus einem anderen Land. Da haben die Menschen meistens dunklere und mehr Haare. Nicht nur auf den Waden Ich will sie aber nur auf den Füßen. Und am Kopf. Und da unterm Hals. Aber reden mag ich nicht wie der. Den versteht man nicht so gut. Reden mag ich wie der kleine Donner Der kleine Donner? Mama! Das Pferd vom Yakari. Der hat´s voll gut. Der versteht die Tiere und die Menschen. Und ihn verstehen auch alle. Alle Wichtigen, mein ich Wer sind denn die Wichtigen? Naja, du und der Papa und der Luis und die Oma und die aus meiner Klasse und die vom Fußball und die beim Billa und der Papa vom Tim. Naja, alle irgendwie Ja, da hast du recht. Das wäre wirklich schön, wenn wir einander verstehen könnten. Besser, meine ich. Noch was? Muss ich? Ich weiß nicht. Du hast jetzt genug Haare überall, kannst kuscheln und gegen Thujen pieseln, du verstehst alle und alle verstehen dich … fehlt noch was? Vielleicht mag ich ja auch mal Papa sein. So wie der Papa Heißt das, der Papa ist dein Vorbild? Nein, das ist mein Papa! Okay, aber du magst mal so sein wie dein Papa? Vielleicht. Aber mit den Haaren vom Tim-Papa Und willst du auch mal Geld verdienen? Das brauch ich nicht. Ich hab ja euch Naja, aber wenn du deinen Kindern etwas kaufen willst, solltest du es zuerst verdienen Muss ich? Ich würde sagen, JA! Ok, dann vielleicht wie der, der im Fernsehen immer sagt, dass die dort schon wieder streiten Du meinst den, der immer aus den Ländern erzählt wo im Hintergrund gekämpft wird Ja. Das find ich voll blöd Das ist aber ein sehr schwieriger und gefährlicher Beruf. Du bist immer dort, wo Krieg ist und versuchst es den Menschen zu erzählen, die zu Hause vor dem Fernseher sitzen. Da musst du sehr sehr mutig sein Muss ich? Ja! Na gut. Dann bin ich das eben. Ich kann ja morgen mal MUTIG SEIN üben und dem Ben sagen, dass ich mich vor seinem Bruder aus der 3. überhaupt nicht fürchte und er endlich die Zöpfe von der Mia in Ruhe lassen soll Das wäre ganz toll von dir Jetzt mag ich aber nimma Was? So sein wollen wie noch irgendwer Ok. Dann bleib einfach genau so toll wie du jetzt bist Und das ist toll genug? Ja, das ist es Mama? Ja, mein Schatz Hast du so jemanden, den du ganz toll findest? Ja. Das hab ich Wen denn? Dich! Und warum? Weil du mit DEINEN Gedanken MEINE Welt wieder ein bisschen mehr in Ordnung bringst

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organische Karotten
...Karottenkrieg im Paradies...
                                                   31. Dezember 2015

...Karottenkrieg im Paradies...

In einem unbekannten Land … vor gar nicht allzu langer Zeit … Hie und da darf ich dank einer Bekannten in eine Woge voller Wohlbefinden eintauchen. Werde verwöhnt mit Geschichten über das Gute. Von fortwährender Nächstenliebe, unbändiger Fürsorge und andauernder Harmonie wird berichtet. SIE nämlich hat das Glück, in einem idyllischen Dörfchen ihr Dasein zu fristen, fernab jeglichen großstädtischen Einflusses, mit dem ja bekanntermaßen Niedertracht und Infamie einhergeht. Darf leben außerhalb der urbanen Berieselung, provinziell, bäuerlich, dörflich, christlich und gut. Aus Gründen der Pietät hülle ich mich über die Koordinaten dieses malerischen, vor Harmonie strotzenden Landschaftswinkels in Schweigen. Nur so viel, BEVOR ich folgendes Histörchen vernahm, kam mir schon bisweilen der Gedanke, Kind und Kegel zu schnappen und an besagtem Ort in einen Ying-Yang-zentrierten Zustand der Superlative zu tauchen. Würde doch selbst der Dalai Lama das im Vergleich dazu verruchte Tibet verlassen und bloßhappert nach Eben Dahin schlapfen. Aus ist es mit der Idylle trällert mir meine Bekannte entgegen. Die in gackerlgelb gehaltene Fassade des kirchlichen Herzens beginnt zu bröckeln. Ist doch der fleischgewordene Inbegriff des Guten, der irdische Vertreter des Allmächtigen, sprich der Dorfpfarrer, einfach auf und davon. Gerüchte habe es gegeben, immer schon. Aber nun konnte sogar sie nicht mehr umhin, ein paar Fetzen dieses Gemunkels aufzuschnappen. Pfeife es doch mittlerweile jeder Spatz vom Dach. Der Pfarrer ist geflüchtet zwitschert der eine, unsere Kinder werden nicht ge-erstkommunion-t antwortet ihm die Spätzin daneben, Sodom und Gomorra setzt der Spatzenchor rundherum erschüttert mit ein. Sie fühle sich wie ein dummes Huhn unter dem so klugen Spatzenvolk, berichtet sie. Habe sie doch, wie immer, keine Ahnung, um was es eigentlich ginge. Nicht dass ihr irdisches Dasein davon abhinge, aber so ganz vertrottelt wolle sie ja eben auch nicht dastehen bzw. hocken. Also flattert auch sie aufgeregt von Sims zu Sims und erfährt die vermutlich bei jedem Flügelschlag um einige phantasievolle Details erweiterte Version des komischen Dramas. Der Ex-Pfarrer, ein Geistlicher, der nicht alle Sympathien seiner Schäfchen auf seiner Seite hatte, über den geschimpft, gelästert und geflucht wurde, seit sie in dieser Idylle beheimatet sei, war ja an sich kein Heiliger. Doch im Vergleich zu dem, was nach dessen Pensionierung folgte, war er der Offenbarung gleichzusetzen. Durfte er doch nach Jahren der Zwietracht halbwegs friedlich samt Cousine und deren Nachwuchs das von der Kirche zur Verfügung stehende Etablissement bewohnen. Etwaige Affinitäten zwischen Priester und Fortpflanz seien natürlich nur darauf zurückzuführen, dass es sich bei der Mutter ja schließlich um seine Cousine handle. Blut ist dicker als Wasser, also ist klar, dass Mund, Nase, Ohr auch gleich sind. Nicht auszudenken, hätte ich Doppelkinn und Körbchengröße meiner Tante Hedi geerbt. Diese drei lebten also jahrelang mehr oder weniger friedlich im Pfarrhaus. Doch trotz direktem Draht nach oben, werden auch die Heiligen unter uns nicht jünger. Das hingebungsvollste Dienen dem Herrn ändert nichts an der Tatsache, früher oder später Abschied nehmen zu müssen, von den weißen und weniger weißen Schäfchen des Gemeindevolkes. Was ihm vermutlich nicht besonders schwer fiel, von Frau und Kind, pardon, ich meine Cousine und Groß-Cousinen-Tochter vielleicht schon ein bisserl schwerer. Aber es hilft nichts. Er muss zurück ins gläubige Polen, die nahe Verwandtschaft muss oder darf bleiben. Wie bei jedem Drama baut sich im ersten Akt die Spannung auf, erreicht im zweiten Akt ihren Höhepunkt und endet entweder im Jubel oder in unendlichem Herzschmerz. Mit Erscheinen des neuen Pfarrers nähern wir uns schnellen Schrittes dem Nonplusultra des Skurrilen. Der neue Pfarrer nämlich habe, wie könnte es anders sein, ebenfalls eine Cousine. Ich bin nur wirklich froh, dass keiner meiner Cousins Theologe wurde, weil offenbar ist es die Pflicht einer Cousine, dem geistlichen Verwandten die Stange zu halten. Es treffen sich also zum gemütlichen Stell-dich-ein der neue Priester und die beiden Cousinen. An diesem Punkt der Geschichte legt meine Bekannte eine künstlerische Pause ein. Gibt meiner Phantasie die Chance sich diese Konstellation an Wahnsinn vorzustellen. Sie wirft mir nur ein paar Körner hin, die sie auf ihrer ungewollten Lustwandelei von Spatz zu Spatz ergattert hat. Von einem nur für eine Cousine bestimmten Karottenbeet im Pfarrgarten ist die Rede, von durch den Pfarrhof fliegenden Gärtnerutensilien und von einem Priester zwischen zwei Stühlen. Auf den Stühlen die Gesäße zweier wohlgeformter Cousinen. Rundherum der aufgescheuchte Kirchenrat. Was bleibt ihm anderes übrig, als eine exorbitante Flucht nach …? Egal, einfach weg. Zurück bleiben ein geschocktes Spatzenvolk, ein paar Kinder ohne Kommunionsunterricht und unendlich viel verbaler Zündstoff. Wenn also heute Nacht ein Dörfchen im Nirgendwo besonders hell erstrahlt, liegt das nicht an den großzügig von der Bürgermeisterin gespendeten Knallkörpern, sondern an einem kleinen Funken als Auslöser für ein Feuerwerk der Feindseligkeit und Antipathie. Vielleicht ist aber am Beginn von 2016, wie jedes Jahr, auch alles ganz anders. Und ein kleines Nest wird zum Nistplatz von Nachsicht und Gutmütigkeit. Möglicherweise flattern alle Spatzen gemeinsam ins Karottenbeet und freuen sich einfach, dass alles so ist wie es ist. In diesem Sinne: einen guten Rutsch!

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Eine Decke legen
...there can be too much truth in any relationship...
29. Oktober 2015

...there can be too much truth in any relationsship...

Wie viel Wahrheit hält so ein in die Jahre gekommener Freunderücken aus? Während wir im Kindes- und Teenageralter mindestens so viele beste FreundInnen im Schlepptau haben wie Pubertätspickel im Gesicht, halbiert sich das schnell mit Austritt aus der Schule, viertelt sich mit Erscheinen des ersten ernstzunehmenden Partners und achtelt, 16-telt und 32-stelt sich spätestens mit dem Eintreffen der erfolgreichen Fortpflanzung. Heerscharen an Bussi-Bussi-Bekanntschaften fallen der Sparreform zum Opfer und geküsst wird nur mehr in Ausnahmefällen, dann aber möglichst für immer. Übrig bleibt eine Handvoll Auserwählter. Ein kleines Grüppchen erlesener Prachtexemplare. Diejenigen, die nicht durch das Netz gerasselt sind, das uns aus Zeitmangel und sich divergierender Interessen umhüllt. Die Haute-Volée der Intimi. Der Anspruch an dieses verbleibende, überschaubare Häufchen verhält sich proportional entgegengesetzt zu dessen Abnahme. Mit dem Schwund der Massen steigen die Anforderungen an die Zurückbleibenden. An ihnen liegt es nun, all das zu erfüllen, was so eine Freundin bzw. einen Freund ausmacht. Man gibt, was man kann und nimmt, was man kriegt. Eine wertvolle Sache ist das! Unantastbar und durch nichts erschütterbar. Hm… möglicherweise doch. Wenn die beste Freundin mit dem eigenen Mann? Der Klassiker! Soviel ich weiß, ist dieses Dilemma bis jetzt allerdings an mir vorüber geschritten, die Chancen auf Änderung dieses Zustandes stehen auch ziemlich schlecht. Finden wir doch die Männer der jeweils anderen so spannend wie die Oma die UEFA-Qualifikation. Wobei natürlich durchaus die beharrliche und detaillierte Kontinuität reger Damenkonversation dazu beiträgt, so ziemlich alles von den Lebenspartnern an der Busenfreundins Seite zu wissen. Ja, es ist eine Tatsache, dass ein Mann an Charme verliert, wenn frau weiß, dass er in der Dusche regelmäßig Let it be aus nicht nur einer Körperöffnung pfeift. Da wünscht sie sich aus tiefstem Herzen, er würde es doch bitte let it be-n! Ob so ein Pantscherl also die Toleranzgrenze überschreiten würde, werden wir hoffentlich nie erfahren. Unterschiedliche Meinungen allerdings vermögen niemals einen Keil in eine richtige Verschwesterung zu treiben. Schließlich kann man über alles reden. Mitnichten. In den letzten Wochen hat es in meinem Hirn und auch in meiner Seele rumort, wie nach einem Beben der Stärke 9. Hätte ich es doch in meiner Naivität niemals für möglich gehalten, dass rational denkende Menschen eine andere Auffassung als ich zum Thema Westbahnhof und Co. haben könnten. Dass jemand, den ich seit langem schätze und sehr mag, so ganz anders über Hilfe, Solidarität und Menschenrechte denkt als ich. Schockiert, erschüttert und zuletzt auch wütend ist mein Freundschaftsschiff ins Schwanken geraten. Und zwar nicht auf hoher See, wo inbrünstig über Asylverfahren, Registrierungen oder Lösungen diskutiert wird, sondern im stillen Wasser, wo ganz konkrete, scheinbar in Stein gemeißelte Standpunkte über mein Display huschten. Aussagen, die mich, meiner Lebenseinstellung so fremd, aus den Latschen kippen ließen. Doch was tun? Dementieren? Diskutieren? Bekehren? Die eigene Meinung rausschreien, dass sich die Balken biegen? Oder negieren, klein beigeben und so tun, als würde man das nicht hören? Ich habe beides versucht, wobei mir bei ersterem schnell die Luft ausging, und beides hat nicht funktioniert! Im Gegenteil. Die Stimmen wurden lauter und intensiver. Haben aufgrund der perplexen Ohnmacht und des daraus resultierenden kurzen und geringen Widerstandes meinerseits auf Zuspruch gehofft. Und dann habe ich mit einem gewissen Widerwillen vorgeschlagen, dieses Thema aus der Kommunikation zu streichen. Feig, ich weiß! Natürlich stellt sich die Frage, was eine solche Freundschaft denn wert sei. Wenn man Angst davor hat, zu viel Ehrlichkeit in eine solche Verbindung zu legen. Wenn Harmoniebedürfnis und Konfliktscheue der Wahrheit im Wege stehen. Ich habe keine Antwort darauf. Was ich weiß, ist, dass ich diese Freundschaft will. Weil sie auf Vertrauen aufgebaut ist, auf ein jahrelanges Miteinander. Auf Respekt und Anerkennung. Möglicherweise verhält es sich mit der Wahrheit in einer Beziehung wie mit fast allem in unserem Leben. Zu viel davon ist ungesund. Mit viel Selbstbetrug schaffe ich es vielleicht, mir diese Feigheit im Laufe der Zeit als diplomatischen Schachzug schön zu reden. Vermutlich nicht. Ich würde mich ja eher in die Kategorie explosives Häferl einordnen, sprich wahrscheinlich braucht es in diesem Fall eher so einen richtigen Knall. Einen Abend und eine Nacht, in der die Worte kein Tabu kennen. In der die Hintergründe, Ängste und Hoffnungen, die Urgedanken rausströmen aus dem Innersten, mit ein bisschen Hilfe von zuvor hineingeströmten hochprozentigen Flüssigkeiten. Spätestens nach einer solchen Nacht werde ich wohl eine Antwort haben. Vielleicht aber hoffe ich insgeheim, dass sich die Synapsen im befreundeten Schädel irgendwann von alleine eines Besseren entsinnen.

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Reisender zu Fuß im Flughafen
...der Blog geht baden...
12. August 2015

 

...der Blog geht baden...

Die ganze Welt verreist. Oma und Opa nach Bad Aussee, die Lise fliegt mit der prallen Lotte und einer ebenso prall gefüllten Geldbörse Richtung Samos, die Eltern von der Lindsey treffen sich mit den Keviniasten im Bibionischen Aquapark und August reist samt Gattin und Nachwuchs Gedeon ins Salzburgerische. Nimmt man doch den Schnürlregen gerne in Kauf – schließlich ist er österreichisch. Und so ein richtig einheimisches Regenwolkerl hat schon was. Das Chaos, das in weiten Teilen unserer Welt herrscht, die Tatsache, dass sich sechs Millionen Menschen auf der Flucht befinden, ist erschreckend, unfassbar und für unser Hirn wohl nicht in seiner ganzen, ja nicht einmal in einem Bruchteil seiner Dimension erfassbar. Die Urlaubsplanung hingegen schon. Übersichtlich, verlockend und appetitlich wird uns der Trip in die Ferne serviert. Viele Monate vor Reiseantritt wird nach Last Minute Angeboten gegiert, um schließlich glücklich der Illusion zu unterliegen, ein Special Offer in Form eines korrigierten Preises ergattert zu haben. Enter, Kreditkarte und ein dreiviertel Jahr später schleppen wir uns gen Norden, Süden, Osten oder Westen. Von Klagenfurt bis Kasachstan, von St. Pölten bis St. Petersburg, von Bratislava bis Bolivien. Nichts ist sicher vor den mit Schalenkoffer oder Tramperrucksack bewaffneten, behuteten Gestalten, die sich auf Bahnhöfen, Flughäfen oder Autobahnraststätten tummeln. Je nach Alter, Ideologie und Mentalität ist das Spektrum des sich Bietenden um ein Vielfaches breiter als der physikalisch bewiesene visuelle Bereich. Von Ultraviolett bis Infrarot? Mitnichten. Von Schantall, tu doch mal die Omma winken bis Ich werde mich selbst finden, indem ich drei Wochen auf jegliche Hygiene verzichte trifft man alles. Die einen will man nicht hören, die anderen nicht riechen. Natürlich in der Annahme, man selbst sei der oder die einzig Normale unter einer Fülle von Fremdlingen. Warum ich das alles weiß? Nun, weil auch ich, selbstverständlich als einzig Normale, hie und da dazu neige, meinem Geist eine Auszeit zu gönnen. Da dieser nur in Verbindung mit meinem Körper agiert, sitzt dieser heuer ein paar Stunden im Flieger und genießt das urlaubende Volk. Und jedes Mal, beim Betrachten der Spezies Mensch auf Reisen, bin ich davon überzeugt, es handle sich um eine optische und vor allem akustische Täuschung. Deshalb, und nur deshalb, ein paar Zeilen vom Äquator, weil ich, wie ich finde, bei meiner Anreise besonders belohnt wurde, mit Schmankerln aus dem Reich des Aberwitzes. Nicht nur das Flugticket wird heuer online gebucht, auch das Einchecken samt Sitzplatzreservierung per Mausklick möglich. Ergattert wird also ein Gangplatz, zwecks Beinfreiheit und schnellem Gang zur örtlichen Wischerlstation, nicht genau über den Tragflügeln, zwecks Ausblick bzw. Überblick, möglichst weit vorne, zwecks halbwegs schnellem Erbeuten der kulinarischen Köstlichkeiten inklusive Plastikbesteck, das allerdings, wie sich bald herausstellen sollte, nicht gereicht wird, da beim Buchen dieser Okkasion die No Food Klausel übersehen wurde. Nichtsahnend, hungrig und in freudiger Erwartung, dass auch diesmal das dreieckige Keramikschüsserl vom Herrn Lauda bzw. Niki wieder den Weg ins Handgepäck finden wird, betrete ich gut gelaunt das umweltverpestende Luftfahrzeug, begrüße den Steward mit einem Hola, während er mir ein wenig echauffiert ein Buenos Dias entgegenwirft, suche 8D, finde 8D und darauf einen grinsenden Spanier. Oh, ah, … spanisches Gestammel meinerseits, spanisches Grinsen seinerseits, heftiges Armgewinke beiderseits, Deuten auf seine kleine Tochter neben ihm und die augenklimpernde Gattin am Fenster. Ob es mir was ausmache, mit ihm den Platz zu tauschen. Der befinde sich quasi eh gleich daneben, ein Mittelplatz! Sechs treuherzige dunkelbraune Augen blicken mich an und ich vernehme ein Gracias ihrerseits und ein De nada! meinerseits. Allgemeines Hin- und Hergewurschtle, abermaliges Grinsen und ein Hineinzwängen auf 8B. Aus dem ich mich allerdings gleich wieder erheben muss, sind doch die Gäste von 8A und 8C eingetroffen. Wohlweislich, zusammen! Ein wohlgeformtes, lesbisches Paar, von dem die pagenkopfige Hälfte das Fenster, die Kurzhaarfrisur den Gang bevorzugt, lässt sich neben mir nieder. Mein dezentes Angebot, ich könne doch mit 8C tauschen, was meinen Kopf aus der tschechischen Kommunikationslinie bringen würde, wird mit einer Art Englisch dankend abgelehnt. Frau wolle nicht in der Mitte sitzen, da sei es so eng, werde aber durchaus versuchen den Redefluss in Grenzen zu halten. Na dann. Nun halte ich mich weder für fettleibig noch kriege ich hysterische Angstzustände in beengten Räumen, als jedoch 7B die Sitzlehne zurückklappt, um sich einem kleinen Nickerchen, das sich als fünfstündiger Tiefschlaf entpuppt, hinzugeben, kann ich mich dem Aufkommen eines gewissen klaustrophobischen Angstzustandes nicht entziehen. Es folgt der Griff zu den Rescue Kaubonbons, und das nicht nur um durch stetige Bewegung der Mundmuskulatur den Ohrendruck auszugleichen. Mit einer Überdosis an Bachblüten und keinerlei Sichtkontakt mit Steward bzw. dreieckigem Salatschüsserl, schwebe ich nach fünf Stunden Flugzeit nicht nur physisch über den Wolken. Aber es ist Urlaub, und Gelassenheit ist das Credo. Also sehe ich das Ausbleiben der lukullischen Gaumenfreude als Balsam für den Leib. Aufgrund des beneidenswerten Schlafverhaltens meines Vordermannes hätte sich Salatdressing samt Dreiecksschüsserl ohnehin in meinem Ausschnitt wiedergefunden. Das Beiwohnen einer durchaus regen Konversation in einer mir völlig unbekannten indogermanischen Sprache als Balsam für den Geist. Weiß ich doch jetzt immerhin was Speibsackerl auf Tschechisch heißt.

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Romantische Gutscheine
...damit höre ich nie wieder auf...
1. Juli 2015

...damit höre ich nie wieder auf...

Es ist zum aus der Haut fahren. Und gleichzeitig ein Genuss. Ich meine nicht hemmungslosen, schmutzigen …, sondern etwas viel Alltäglicheres. Gut, es mag Menschen geben, für die ist auch hemmungsloser, schmutziger … etwas Alltägliches. Glücklich seien die Auserwählten. Ich spreche allerdings von etwas, das wir alle, oder zumindest fast alle, jeden Tag tun, oder zumindest tun sollten. Vorausgesetzt frau bzw. man greift zum bzw. zur Richtigen, ist es ein Vergnügen auf höchstem Niveau. Eine Notwendigkeit in der Monotonie der Alltags, Entspannung und Ekstase zugleich. Entzücken und Verzweiflung wechseln einander ab, geben uns kalt-warm vom Feinsten, Kneipp hätte seine Freude. Was genau ich meine? Die tägliche Einverleibung einer Tageszeitung, das Aufschnappen von News, oder sagen wir mal, das Wenn-es-sich-irgendwie-ausgeht-Erhaschen von Was-tut-sich-Wo. Ob man nun mit einem überdimensionalen druckgeschwärztem Monsterformat kämpft, oder frühmorgens der Stimme Kratkys lauscht, ob frau mit dem winzigen Display des Smartphones zankt oder wir einfach träge Armin Wolf Einzug in unser Wohnzimmer gewähren. Schnurzegal. Einzig und alleiniges Leitmotiv: das Gefühl, am Makrokosmos teilzunehmen, mitzuspielen in der Liga der brisanten Ereignisse. Dank der Neuzeit haben wir diese Möglichkeit. Und auch wenn wir oft gar nicht alles wissen wollen, wenn wir uns wünschen würden, die unbarmherzigen Bilder nicht gesehen zu haben, die grausamen Zeilen nicht gelesen zu haben, so greifen wir doch immer wieder zu, wenn es darum geht, Geheimnisse zu erfahren, Gerüchten eine Chance zu geben und Klatsch und Tratsch zu erschnüffeln. Wir tun es also dem Trüffelschwein gleich, und spätestens jetzt habe ich mich weit entfernt vom Thema meiner Einleitungssequenz. Wobei der hemmungslose, schmutzige … einige meiner Leserinnen und Leser vermutlich mehr gelockt hätte. Pech. Ich entferne mich nämlich noch weiter von jeglichen prickelnden Gedanken und komme nun endlich zum Punkt. Zum sogenannten 1-er-Kastl, das mich letzte Woche zu Tränen gerührt hat. Guido Tartarotti beschreibt einen heulenden Knirps im Supermarkt, eine coole Mama und den Beweis dafür, dass viel mehr gebusselt g´hört. Und weil Maestro Tartarotti weit besser formuliert und pointiert als ich das jemals könnte, gebe ich den Text einfach 1 zu 1 wieder. Er gehört, bedauerlicher Weise, nicht zu meinen Lesern, und deshalb sind meine Bedenken den Export und Import dieser Zeilen betreffend eher verschwindend. Eine Szene im Billa: Ein junges Paar, ein Kind von etwa drei Jahren. Das Kind quengelt und sägt an Nerven, es will dieses, es will jenes, es greift in die Regale, es ist laut und lästig. Kurz, es ist, wie man so sagt (und nie nie nie tun würde): Zum An-die-Wand-Picken. Experten raten an dieser Stelle gerne, das Kind doch abzulenken, das würde immer funktionieren. Diese Experten haben noch nie ein Kind in freier Wildbahn gesehen. Als alles nichts hilft und das Volk bereits zu murren beginnt, schließt die Mutter das raunzende Kind plötzlich ganz fest in die Arme und schmust es gnadenlos ab. Das Kind: Mama, was machst du da? Die Mutter: Ich gebe dir ganz viele Bussis. Denn du warst sehr schlimm und schlimme Kinder bekommen leider ganz viele Bussis. Das Kind: Hör damit auf! Die Mutter: Damit höre ich nie wieder auf, so lange ich lebe. Mutter, Kind und Vater lachen und der ganze Supermarkt füllt sich plötzlich mit freundlichen Gesichtern. Ganz viele Bussis, wenn jemand schlimm ist: Vielleicht ist ja DAS der Trick? Ja. Ich will auch busseln. Immer und immer wieder. Will die weichen Wangen knuddeln und mit den noch immer ein bisserl vorhandenen Speckringen turteln. Damit werde ich auch nie aufhören. Auch nicht, wenn er mir schon bis zum Kinn geht, wie mein leicht-Pubertierender, der mir beim Schmusealarm nur ein Mann-Oh entgegenraunt. Gefallen lässt er es sich trotzdem. Vorausgesetzt niemand in der Altersklasse U20 ist Zeuge dieses peinlichen Mama-Glucken-Verhaltens. Führt man diesen Gedanken weiter und lässt ihn aufgehen wie einen Germteig von der Helli-Oma, dann schießen einem ganz skurrile Bilder durch den Kopf. Was, wenn das griechische Staatsoberhaupt unserer lieben Angela nach der 350-sten Verlängerung des Ultimatums einfach um den Hals fiele und sie abbussle. Naja, es gibt schlimmeres, oder? Zumindest für sie. Oder wenn die vermeintlichen Passagiere einer Herkulesmaschine, während sie schreien können so viel sie wollen, einfach der Dame, die sie zu diesem Flug der Sonderklasse eingeladen hat, und deren Name ich nicht unbedingt in den Mund nehmen möchte, einen Schmatz auf die Wange klatschten. Okay, das wäre vielleicht ein bisschen viel verlangt. Obwohl Toleranz ist doch grenzenlos. Aber auch wenn wir regional bleiben, im Sozialverband des uns Bekannten, dann stoßen wir bei genauerer Betrachtung auf so manch schmusewürdige Situation. Mit nur einem Haken. Es würde doch des Öfteren missverstanden werden. Überfiele ich nämlich meinen altbekannten Nachbarn samt den 14 mal am Tag Gacki machenden Wasti, dessen Herrchen weder Sacki noch Leine kennt, mit einer Busserlattacke, wäre mein Ruf wohl nicht mehr lange der Beste. Also hemmungslos drauf los geschmust wird ausschließlich mit Blutsverwandten unter 1,20m. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit bis maximal 1,60m. Alles darüber hinaus ist zwar sozial unbedenklich, jedoch in äußerstem Maße rufschädigend. Wenn uns allerdings der Ruf powidl ist und wir lieber ein wenig konfliktfreier durch die Welt stampfen, dann machen wir es doch der Billa-Busserl-Mama nach. Nehmen wir jeder brenzligen Situation den Wind aus den Segeln, indem wir sie beispielsweise mit einem Lächeln entschärfen oder mit einer sanften Berührung besänftigen. Das tut dem Visavis gut und das tut uns gut. Dann klappt´s vielleicht auch mit dem alltäglichen hemmungslosen …

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Sandwiches
...Tempi passati...
11. Juni 2015

...Tempi passati...

Die gute alte Zeit … schon beim Schreiben sehe ich, wie sich auf meinen Handrücken, während meine Finger in die Tastatur hämmern, ein paar Altersflecken dazu gesellen. Einbildung, sagt mein Mann. Tatsache, sage ich. Ich muss sie mir ja auch ständig anschauen, meine Pfoten. Im Gegensatz zu ihm, der sich mäßig für die Verschleißteile meines Körpers interessiert, zumindest was die Hände betrifft. Zugegeben, ich gönne ihnen abends weder Entspannungsbäder, noch hülle ich sie tagsüber, einbalsamiert in Ayurveda Lotionen, in seidig-glänzende Handschühchen. Selber schuld, sagt mein Mann. Ja eh, sage ich. Ein Bild besonderen Gegensatzes bietet sich mir, wenn ich über die absolut perfekte, butterweiche Haut meines Fünfjährigen streichle. Das ist fast so, als würde Jabba the Hutt die Wange von Prinzessin Leia liebkosen. Auf was ich aber eigentlich hinaus will, wir werden ohne Zweifel älter. Und das bringt viele, sehr viele Nachteile mit sich. Frau schwingt nicht mehr elegant früh morgens ihren Körper aus der Satinbettwäsche, in der sich die erotischen Düfte der Nacht verbergen, sie hievt vielmehr ihren bandscheibengeschädigten Ex-Luxus-Body aus den 100% allergenfreien Baumwolllaken, schleppt sich ein wenig gebückt Richtung Waschraum, um spätestens beim Blick in den schonungslosen Spiegel festzustellen: die faltenfreien Zeiten sind vorüber. Wie gesagt, es gibt viele furchenreiche Gründe, warum das Älterwerden definitiv nicht auf der Liste der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen steht. Heute allerdings ist mir etwas wiederfahren, das man bzw. frau nur fühlen kann, wenn sie jenseits der - ja was eigentlich - ist. Ich rede von Erinnerungen. Déjà vus - oder wie auch immer man sie nennen mag. Und beim genaueren Betrachten ist es eigentlich keine Altersfrage – es werden nur immer mehr im Laufe eines Lebens. Ich meine diese Momente, in denen man sich zurückversetzt fühlt, sei es durch ein Bild, das sich uns zeigt, einen Geruch oder eine Berührung. Oder, wenn wir Glück haben, eine Kombination aller Drei. Das kommt meist unerwartet, scheinbar aus dem Nichts, und versetzt uns in einen Zustand des Entzückens. Jedem von uns passiert das, dem einen öfter, der anderen fast nie. Die eine grübelt darüber nach, lässt sich fallen und taucht ein in die Illusion vergangener Tage, der andere wischt die Aktivierung dieser speziellen Gehirnzellen einfach weg. Ich tauche ein. Bade quasi, so lange wie möglich in diesem unendlichen Schaum der Vergangenheit. Wie beispielsweise letzten Winter. Als ich, aufgrund der nicht zu leugnenden Existenz meiner zwei von Bewegungsdrang kaum zu übertreffenden Buben, die Urlaube von kulturell-romantisch in Fußballplatztauglich-erfinderisch umwandeln musste. Als mir notgedrungen nichts anderes übrig blieb, als die verträumten Doppelzimmer Venedigs gegen funktionale Familienzimmer einzutauschen. Gegen so ein Jufa-Heim, eine von vielen gastlichen Jugend und Familienherbergen ist absolut nichts einzuwenden, vorausgesetzt alle Familienmitglieder lieben das Aufeinander kleben und sind mit einem Abendbuffet, das aus zwei Menüs besteht zufrieden. Auf meine zugegebener Maßen befremdliche Frage, was denn heute vegetarisch angeboten würde, kam, nachdem ich vegetarisch in fleischlos übersetzt hatte, die durchaus freundliche Erklärung, man lasse bei der Pizza den Schinken weg. Ah ja. Und da war es dann. Das Déjà vu. Ich fühlte mich wie 13, mitten im 8-Bett-Zimmer am Schikurs. Der Geruch, die Atmosphäre an sich, alles fühlte sich an wie damals. Schön war das. Und auch die Tatsache, dass mein Sohn bereits die erste Schulschiwoche hinter sich hat, ich demnach von den 13 so weit entfernt bin, wie H.C. von der Wahrheit, hat mich beim Schließen der Augen nicht daran gehindert, den Liptauer zu schmecken, der damals als Abendsnack angeboten wurde, falls einem das Restlgulasch als Dinner nicht gemundet hat. Und das hat es natürlich nicht. Alles andere wäre total uncool gewesen. Essen im Konglomerat mit Gleichaltrigen muss in Pubertätsnähe einfach grauslich sein. Da könnten namhafte im Gault-Millau verewigte Gastro-Spitzen persönlich Hand anlegen, es würde darin herumgestochert, sämtliche ekelhafte Krümelchen herausgefingert und im Einklang ein Wähhh angestimmt werden. Paragraph I, Absatz 1 des Weltweiten Pubertätsgesetzes. Aber zurück zum Déjà vu. Gestern habe ich aufgrund unerwarteter positiver Umstände meiner alten Bekannten, der Uni, einen Besuch abgestattet. Sie war mir Jahre lang Freundin und Feindin zugleich. Ich erinnere mich an nächtelanges Durchfeiern, furchtbare Erkenntnisse an den Morgen danach, an schweißtreibende Prüfungen bei teilweise unsagbar seltsamen Figuren, die mir damals völlig normal erschienen und retrospektiv an eine wirklich schöne Zeit. Doch eigentlich besuchte ich nicht das Gebäude der Lehre an sich, sondern meine alte Arbeitsstelle, die mich großzügiger Weise im Jahre Schnee als frisch G´fangte aufgenommen hat. Mir Brot und Wasser und so einiges mehr mit auf den Weg gegeben hat. Anderes Gebäude, größtenteils andere Leute und trotzdem eigentlich genau gleich. Zwölf Jahre ist das jetzt her und ich hatte das Gefühl, es sei kein Tag vergangen. Im Gegenteil. Es war mir vertraut, ich war Teil des Ganzen. Wollte mitreden, mitentscheiden, irgendwas von A nach B tragen, das Telefon abheben, was auch immer. Wie selbstverständlich. Für 30 Minuten fühlte ich mich zurück gebeamt in das Jahr 2003. Seltsam war das. Aber schön. Wir vergessen so vieles. Natürlich sollte man seine Zeit nicht damit verbringen, über die Vergangenheit nachzudenken, im Hier und Jetzt leben, lautet die von allen Dächern gepfiffene Devise. Aber nicht nur. Wenn wir uns ins Gedächtnis rufen, was alles war, nenne ich das nicht vergeudete Zeit. Im Gegenteil. Es stärkt mich von innen. Zu oft messen wir uns mit anderen, vergleichen Position, gesellschaftlichen Rang und Gehaltskonto. Werten nach Maßstäben, die uns das Kollektiv aufoktroyiert und vergessen dabei Gefühle und Empfindungen, die es eigentlich zu erreichen gilt. Die wir vor 10, 20, 30 Jahren schon verstanden haben zu genießen und deren simple Erinnerung uns wieder in Entzücken versetzt. Ich kenne in Geld schwimmende zutiefst unglückliche Dagobert Ducks, die wahrlich viel dafür tun, sich das ersehnte Glück zu holen, zu erarbeiten, zu erkaufen. Ich kenne auch arme Kirchenmäuse, die von innen heraus strahlen, als wäre das Leben ein einziger vergnüglicher Zirkus. Vielleicht bringen uns solche Erinnerungen, solche Empfindungen, die wir fühlen können, ein Stück näher zu unserer Vorstellung von Glück. Vielleicht sind es genau diese Gedanken, die uns immer wieder zeigen, was wir eigentlich wollten und im Laufe unseres Lebens verloren haben. Wenn es mir ein Lächeln entlockt, in einer Jugendherberge ein Liptauerbrot zu schmecken, frage ich mich, warum es sonst der Tafelspitz sein muss. Wenn ich innere Zufriedenheit verspüre, ein von Hässlichkeit kaum zu übertreffendes Universitätsgebäude zu betreten, frage ich mich, warum ich dort nicht meine Zelte aufschlage. Vermutlich gilt dasselbe, wie für alles im Leben. Ein bisserl von dem und ein bisserl von dem! Ich wünschte, mein Blick wäre fokussierter auf diese wesentlichen Dinge des Lebens. Dann würde ich vielleicht jede Falte und jedes Wehwechen willkommen heißen, auf meinen von wunderschönen Erinnerungen prall gefüllten Körper. Wobei ich bei der Fusion der beiden Begriffe prall und mein Körper schmunzeln muss. Und falls jemand, persönlich oder aus den Medien, von einer offenbar Irren erfährt, die sich samt Kind und Kegel in der Aula einer Uni ein Zelt aufgeschlagen hat, besuchen sie mich. Gesellen sie sich dazu, ich gebe einen Filterkaffee und ein Liptauerbrot aus!

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Kinder spielen Fußball
...Viva il Calcio ... oder doch Viva la Mamma?..
7. Mai 2015

...Viva il Calcio...oder doch Viva la Mamma?

Jööö … der Gatsch! In seiner ganzen Pracht. Endlich. Ich dachte schon, es gibt ihn nicht mehr. Sprießt doch derzeit alles um die Wette, der Flieder, die Kastanien und auch die Gräser. Aber das nützt nichts. Wenn es in der Nacht genieselt hat, obwohl uns Frau Kummer in sonnengelben High Heels Gegenteiliges versichert hat, dann wird die grünste Wiese schnell zur Schlammlandschaft. Grundsätzlich ja durchaus Fauna-freundlich, so ein bisserl Weinviertler Landregen, aber bei angesetztem Zwergerl-Fußballturnier ein Garant für nie enden wollende Rutschpartien. Und falls jetzt jemandem ein Ned scho wieda entkommt, dem sei gesagt, dass mein Bam-Bam-Bam-Binis Artikel einer der meist gelesenen war. Grund genug also, mich noch einmal dem Thema des enthusiastischen Gatschvergnügens zu widmen. Sonntagvormittag also, Nieselregen, elf Grad statt der angekündigten 20. Also rein in die Winterschuhe, die Hauben, die Wetterhexen und raus zum Fußball-Frühschoppen. Kurze Beratung, ob man, eigentlich meist frau, die Minihaxerln in kurze oder lange Hosen steckt – kurz! der einstimmige Aufschrei. Bald stellt sich heraus, es ist einerlei. Denn die vermeintlich kurzen Beinkleider reichen den Fünfjährigen meist bis zu den Knöcheln. Es wird also mit mittellangem Trikot auf den Sumpf, alias Wiese gewatschelt. Wir Erwachsenen watscheln nach, mit Schirm und Kamera bewaffnet, lächelnd, die Absurdität tapfer ertragend. Eine Mama neben mir, will ihrem Sohn die Nase putzen, sucht in der übergroßen Handtasche, in der sich zu 98% lebenswichtige Dinge, wie Ersatzsocken und Ersatzhauberl für den Nachwuchs, aber auch Ersatzakku und Ersatzblitz für des Angetrauten Kamera befinden, nach Taschentüchern. Ein Raunen von den Männern ringsum, ein abschätziges Des wischt ma se in den Ärmel lassen sie in ihrem Vorhaben erstarren. Der vor sich hinrotzende Sohn, dessen Naseninhalt mittlerweile den Sponsorenaufdruck des überdimensionalen Shirts erreicht hat, blickt flehentlich in Richtung Taschentuchpackung, die aber augenblicklich wieder im Innenleder der reisekoffergroßen Beutel verschwindet. Kein Erbarmen. Fußballplatz bedeutet keine Schnupftücher, keine Aua-Salben, kein Mitleid. Stattdessen Kampfgeist, Teamgeist, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Naja, vielleicht nicht ganz. Erinnern unsere Fußball-Kobolde doch eher an die italienische Nationalmannschaft als an die Helden von Liberté, Égalité und Fraternité. Es ist nämlich ein gewisser Dominoeffekt im Foulverhalten erkennbar. Im 30 Sekundentakt kugelt sich einer nach dem anderen im Gatsch, das Knie, den Knöchel, den Ellenbogen, den Kopf, den Bauch oder einfach irgendwas haltend, das Gesicht schmerzverzerrt und die Stimme bibbernd. Eine unserer Trainerinnen eilt zu Hilfe, schnappt sich den leidenden Dreckspatz und trägt ihn von Dannen. Doch schon beim Aufheben ist eine Veränderung erkennbar. Eine Erleichterung, ein fast zufriedenes Lächeln, ein Hineinkuscheln in den Hals des weiblichen Coachs macht deutlich, dass sie halt doch noch nicht so abgebrüht sind, wie sich das so mancher an der Outlinie schreiende Fußballdaddy wünscht. Da muss also zwischen dem Ball Nachjagen durchaus Zeit für eine kurze Schmuseauszeit sein. Vom Tätscheln und Busserln gestärkt ist Bub dann nach zwei Sekunden wieder einsatzfähig und eilt aufs Spielfeld. Den eingetauschten Spieler und die damit erhöhte Spieleranzahl ignorierend, wird dann auch gleich ein Eigentor geschossen. Hat man doch in dem ganzen Durcheinander kurzfristig vergessen, dass man den eigenen Tormann nicht vom Platz fegen sollte. An der italienischen Spieltaktik samt Trauermiene sollten wir also noch arbeiten. Vielleicht vom Papa des Unglücksschützen, oder dessen Nabelfragment, ist er doch dabei im Boden zu versinken, während er das schamvolle Haupt hinter dem Regenschirm verbirgt. Viele andere, meist weiblich, finden das entzückend und freuen sich selbst über dieses Tor. Doch eine Sache, die ohne Zweifel immer funktioniert, ob im WM-Stadion oder am Dorfacker, wo Freund und Feind sich einig sind: die Jubelschreie, die händeküssenden Torlaufszenen, die sogenannten Messi-Gesten. Abgeklatscht wird nach einem Tor jeder einzelne Spieler. Eine Ewigkeit dauert das. Bisweilen auch so lange, bis die Gegner den Ausgleich erzielt haben, denn so ganz ohne Verteidigung lässt sich der Ball schon leichter ins Netz schießen. Vor allem wenn sich der Tormann ebenfalls jubelnd am Spielfeld räkelt. Aber im besten Fall wird das gar nicht wahrgenommen, wird negiert, wie die Tatsache, dass sich die Eltern und Trainerinnen die Kehle aus dem Leib brüllen. Da hilft kein Aufpassen vom händeringenden Papa am Spielrand, da hilft kein lautes Sebi, Tobi oder Kurti. Erst wenn Knirps sich genug ausgefreut hat, wenn dem Tor genüg an Würdigung geschenkt wurde, dann schaut er natürlich zum Spielfeldrand, wo sich die Eltern um die erste Reihe streiten und stellt mit Stolz fest, dass sich ALLE freuen. Auch die Gegner. Na, das Tor ist ihm wirklich gelungen. Nach drei Stunden des Wälzens, Rutschens, Schlitterns und  Kugelns ist endlich die wohlverdiente Siegerehrung am Programm. Statt der obligaten Pokale, die am Ende eines solch imposanten Spektakels vergeben werden, gibt es in diesem Fall Gummischlangen, Gummiwürmer und Gummischnuller. Zum Leidwesen der Zähne, zum Jubel der Kinder. Da beißt der Letztplatzierte genauso genussvoll hinein wie der Turniersieger. Und wenn die schwer verwundeten Helden von der Schlacht heimkehren, geschunden und gequält in der Badewanne sitzen, deren Wasser sich schön langsam aber sicher braun färbt, wird der Oma freudestrahlend berichtet, man habe im erbitterten Kampf ZWEI Gummischlangen ergattert - ahja und übrigens auch ein Tor geschossen.

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Strand
STUMM!
28. April 2015

STUMM!

Ich feiere ausgesprochen gerne. Liebe es, Freunde um mich zu haben, miteinander zu essen, das eine oder andere Gläschen zu trinken, zu lachen, über andere zu lästern, zu diskutieren und zu philosophieren. Ich genieße es, wenn wir uns in die Haare kriegen und uns gleich darauf wieder versöhnen, wenn wir, so verschieden sich die Hölzer auch anfühlen, aus denen wir geschnitzt sind, trotzdem eine gewisse Harmonie in unser Waldstück bringen, eben wegen genau dieser Divergenz, die unsere Charaktere bilden. Schön ist das! Und ich brauche diesen Austausch wie die Luft zum Atmen. Es ist auch nicht immer ein Anlass von Nöten. Schön, wenn es einen gibt. Genauso schön, wenn das unbändige Bedürfnis des sich Mitteilens spontan eintritt. Heute gibt es ihn, den Anlass. Zumindest für mich. Genau heute vor einem halben Jahr hat mein erster Text die unendlichen Weiten des Internetuniversums entdeckt. Hat sich durchgeboxt, durch die millionenmeterlangen Kabelstränge und WLAN Wellen und hat es somit geschafft, dass er gelesen wird. Von vielen! Das hier ist der 19. Artikel, es läuft also ganz gut. Und mir ist trotzdem nicht zum Feiern. Ich sitze da und frage mich Wozu eigentlich? So gerne hätte ich mit meinen Freunden angestoßen auf die zwar immer noch brotlose aber dennoch schöne Tatsache, viele verschiedene Gehirne zu erreichen mit dem was ich tue – mit welchen Auswirkungen auch immer. Hätte gerne über die diversen Reaktionen geplaudert, über meine Motivation, meine Inspiration und vor allem meine Ideologie. Ja, ich hätte mich ganz gerne in den Mittelpunkt stellen lassen, hätte das Schulterklopfen und das Gut gemacht! genossen. Aber es will keine Stimmung in mir aufkommen. Ich will das Glas nicht erheben, mich nicht amüsieren und freuen, während mich die Schlagzeilen erschlagen. Unangebracht und vollkommen fehl am Platz erscheint mir Stolz und Glück. Stattdessen fühle ich nur eine Leere, eine Machtlosigkeit und eine Wut, eine unfassbare Traurigkeit. Knapp zwei Flugstunden, knapp 2000 Kilometer, knapp 20 Autostunden ist der Tod entfernt. Spielen sich Tag für Tag Dramen ab, die jegliche Vorstellungskraft meinerseits übersteigen. Ich bin normalerweise nicht so. Im Gegenteil, ich kann gut Wegschauen und Wegdenken. Schaffe es immer wieder, mir einzureden Das ist ewig her! oder Das ist verdammt weit weg! Um nicht zu zerbrechen, an den unaussprechlich abartigen Dingen, die auf unserer Welt passieren. Doch dieses Mal will sich dieses befreiende Gefühl des Ignorierens nicht einstellen. Immer wieder kehren diese Zahlen und Fakten in mein Hirn zurück. Ich habe kein einziges bewegtes Bild dazu gesehen. Habe nicht gegoogelt, weder Hilferufe noch Verzweiflungsschreie gehört, nur gelesen über diese unglaubliche Zahl an Flüchtlingen, dieses unfassbare Elend. Es passiert genau JETZT. In dieser Minute, während ich meine belanglosen Buchstaben in die Tastatur klopfe, verlieren Mütter ihre Kinder, Frauen ihre Männer, Menschen ihr Leben! Werden zerquetscht und niedergetrampelt, totgeprügelt, ertrinken und erfrieren. Verdorren in der Wüste, weil ihnen ein paar Liter Benzin fehlen, um sie in einem vollkommen überladenen Lastwagen an die Küste zu bringen. Ihre schrumpeligen Überreste werden einfach in der Einsamkeit vergessen. Die Hoffnungsträger ganzer Dörfer sind nur mehr Skelette, über deren Tod meist niemand erfährt. Und selbst wenn es diese Männer lebend an die Küste schaffen, ausgelaugt und dem Sterben näher als dem Leben, ist die Chance, ein Fleckchen auf einem Kutter zu ergattern minimal, die Aussicht jemals europäischen Boden zu betreten, verschwindend gering. Eine Mutter, die es mit ihren vier Töchtern schaffte, das so sehr ersehnte Meer zu erreichen, musste zusehen, wie ein Mädchen nach dem anderen in genau diesem ertrank. Als Einzige mit einer Schwimmweste ausgestattet, musste sie drei ihrer Töchter gehen lassen, um eine zu retten. Sie war gezwungen eine Entscheidung zu treffen. Fühlte wie ihr die Kinderhände aus den steif gefrorenen Händen glitten, wie drei ihr so vertraute Gesichter den letzten Atemzug machten. Wie geöffnete nach Hilfe suchende Augen, die nichts verstanden, für immer im kalten, dunklen Wasser verschwanden. Ich habe diese Frau nie gesehen, kein Bild, keine Stimme. Nur diese Geschichte gehört von einem Berichterstatter vor Ort. Und trotzdem habe ich das Gefühl, diese unendliche Traurigkeit mit zu empfinden. So als wäre sie einfach zu groß für diese kleine Welt im Süden. Als müsste sie sich fortpflanzen, schreien nach Aufmerksamkeit, weit über die Landesgrenzen hinaus, um sich dadurch aufzuteilen und erträglicher zu werden. Und diese Schreie lähmen mich. Ich kann sie nicht wegwischen, wie mir das so oft gelingt, wenn ich über etwas nicht nachdenken möchte. Sie lassen sich nicht diskutieren, es gibt keine Meinung über das Massensterben. Ich werde heute deshalb kein Glas erheben, werde weder analysieren noch philosophieren. Kein Funke Stolz keimt in mir, wenn ich an meine ironischen Texte der letzten Monate denke. Sie sind unwichtig, nichtssagend und banal. Ich werde stumm sein, stumm wie die vielen Toten. Auch wenn das keinem hilft, wenn das Leid sich nicht verringert, so bin ich doch gelähmt von dieser Machtlosigkeit. Zu nah sind die Kinderhände, die im Meer verschwinden und die Mütter, die dabei zusehen müssen.

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Runde Sonnenbrille
...die rosarote Brille
2. April 2015

...die rosarote Brille...

Ich hab ein G´spusi raunt mir gestern mein bester Freund entgegen, sitzt breit grinsend neben mir, gönnt sich - um 14 Uhr - ein Achterl und schaut, zugegebener Maßen, besser aus als je zuvor. Er strahlt! Übers ganze Gesicht. Hat einen Teint, als würden wir nicht im grauen März im noch graueren Wien sitzen, sondern in der Augustsonne in den toskanischen Weinbergen. Sie ist verheiratet, aber das sei er ja schließlich auch, ist fünf Jahre älter als er, Mutter zweier prächtiger Mädchen, wovon eines mit dem ebenso prächtigen Sohn meines Freundes die Schulbank teilt. Da sei man sich das erste Mal begegnet. Beim Klassenabend, wo sich der motivierte Elternteil, der diesen besuchen darf, meist auf den Platz des Sprösslings setzt, blicken sich er und Karin genau dort, wo am Vormittag die Popos ihres Nachwuchses hin und her rutschen, in die Augen. Gerutscht wird nicht sofort, eher zaghaft gelächelt. Im Laufe des Vortrages allerdings habe es sich entwickelt, haucht er in erotischer Manier. So also lernt heute Mann Frau oder Frau Frau oder Mann Mann kennen. Auf der Schulbank. Wie romantisch. Während die Klassenlehrerin alles daran setzt, die übrigen Mütter und Väter am Einschlafen zu hindern, spielt sich in der letzten Reihe die emotionale Apokalypse ab. Besagte Super-Mom habe nämlich, wie er mir ohne den geringsten Zweifel versichert, so etwas zuvor noch nie erlebt. Wäre seit 13 Jahren ihrem Ehemann treu und verstehe überhaupt nicht, wie ihr so etwas passieren könne. Er sei ja so glücklich, fühle sich wie vor 20 Jahren. Das lässt mich kurz innehalten, und ich erinnere mich an mein Leben anno 1995. Und da unser Gehirn klüger ist, als wir annehmen, behalten wir die positiven Dinge besser und länger im Gedächtnis als die negativen Desaster. Verdrängen, ignorieren oder vergessen im besten Fall sogar die Unerfreulichen und Peinlichen. Resümierend habe ich also die Abende und Nächte Mitte der 90-er meist auf Partys, die Vormittage meist im Bett verbracht, dazwischen mal hie und da der Uni einen Besuch abgestattet. Schließlich musste ich ja Prüfungstermine verschieben und Mitschriften besorgen. Vom gefühlsmäßigen Vollchaos, da festen Freund, aber eben des Nächtens doch auch ein bisserl Alkohol, also auch ein bisserl eh scho wissen, bleibt eben nur peripher etwas hängen. Jetzt grinse auch ich! Sein Teint springt zwar nicht auf mich über und ich bin, mit Ausnahme der dunklen Augenringe, fast weißer als der eierschalenfarbene Resopaltisch, an dem wir sitzen, aber beinahe scheint mir durch das Grau, auf das ich blicke und das sich Wetter nennt, ein kleiner Sonnenstrahl durchzukämpfen. Für eine Erinnerung gar nicht so schlecht. Wie würde ich das erst wahrnehmen, würde auch ich ...? Glaubt man den Statistiken, und das tue ich nur mit Maßen, gehen ja quasi alle fremd. Der Mann von nebenan, die Kindergartenpädagogin, die Sprechstundenhilfe vom Zahnarzt, der Postler und der Bäcker. Alle haben was mit allen. Nur erfahre ich das von niemandem. Während wir in jungen Jahren keine Scheu davor hatten, die Flirterei, das Geschmuse und Geturtle und die weiteren Folgen davon durchaus delikat zu präsentieren, hüllen wir uns ab 35 lieber in einen Mantel des Schweigens. Natürlich wird mir der Postler bei der Übergabe eines Rsb-Briefes nicht auf die Nase binden, dass die persönliche und intensive Zustellung des Paketes bei der Nachbarin gerade ein wenig länger gedauert hat, und auch die Liebelei vom Bäcker und der Babsi werde ich nicht erfahren, vorausgesetzt ich bin nicht die Babsi. Die Überzeugung aber, dass der eigene Partner sich ganz sicher nicht anderswo vergnüge, ist ein ungeschriebenes, aber durchaus oft erwähntes Gesetz. Nun, meine Leidenschaft und vor allem die Begabung für Mathematik hielten sich schon immer in Grenzen, und das nicht unweigerlich, weil ich weiblichen Geschlechts bin. Aber dass sich das irgendwie nicht ausgehen kann, errechne sogar ich mir. Ein sehr kluger Kopf hat vor einiger Zeit einen meiner Texte mit dem Kommentar bereichert Statistiken sind wie Bikinis, sie enthüllen eine ganze Menge, verbergen aber das wichtigste. Vielleicht sollte man die Grübelei über die angebliche Seitenspringerei damit auch ad acta legen. Tatsache ist allerdings, dass mein bester Freund, der treue, ehrenhafte, verantwortungsbewusste und selbstdisziplinierte Ehemann und Vater, ein bis zwei Mal in der Woche seine Freizeit und einiges mehr mit Mrs. X teilt. Die Details, die mich dann ebenfalls schnell irgendetwas Alkoholisches ordern lassen, verkneife ich mir hier lieber. Sehr appetitlich, sehr ergreifend und zugleich auch sehr irreal. Stunden später, zurück in meinem Alltag, bin ich immer noch fasziniert von diesem Strahlen. Als Teenager drohen wir durch tsunamiartige Gefühlsausbrüche zu platzen. Als Twen, vorausgesetzt wir sind nicht geplatzt, lässt der Enthusiasmus ein wenig nach, um sich dann ab 30 plus in eiserne Selbstdisziplin zu verwandeln. Die Conclusio aus diesen Gedanken kann aber wohl nicht sein, sich jetzt ungehemmt über alle moralischen Grenzen hinwegzusetzen, sich das nächstbeste Lustobjekt zu Eigen zu machen und so zu tun als wäre man bzw. frau wieder 20. Ich könnte mit einer Vielzahl an erheiternden Anekdötchen, die Midlife-Crisis betreffend, aufwarten. Das erspare ich uns aber in diesem Zusammenhang. Aber wie kommen wir sonst zu diesem unsagbar faszinierenden Strahlen? Vielleicht hilft ja Botox, Hyaluronsäure und Skalpell. Das meine ich keinesfalls wertend. Wenn frau bzw. man nachhelfen möchte und sich dabei besser fühlt, nur zu! Rein damit, mit den Silikonpölsterchen und den chemischen Bomben. Wenn´s hilft und die chirurgische Keule das schafft, bin ich offen und erfreut über jedes Feedback – bitte inklusive Adresse der ins Fleisch schneidenden Koryphäe. Ich hege den leisen Verdacht, dass nicht nur mein Freund auf mich strahlend wirkt, sondern möglicherweise in seinen Augen die ganze Welt in eine zuckerlfarbene Kolorierung taucht. Die berühmte rosarote Brille! Vielleicht hat er mich und das antiquierte Faktotum, das uns den Wein servierte, ja auch flimmernd und leuchtend wahrgenommen. Ein entzückender Gedanke. Die rosarote Brille muss also her. Die Frage, die sich dabei unweigerlich in mein Gehirn brennt: WIE? Tja, wüsste ich das, wäre ich keine brotlose Bloggerin, sondern eine gutbezahlte und ausgebuchte Therapeutin. Ich habe aber leider nicht die leiseste Ahnung! Was ich aber weiß, mir ohne den geringsten Selbstzweifel anmaße in die Welt hinauszubrüllen ist, dass es sich mit Sicherheit lohnt, danach zu suchen. Irgendwo in unserem Innenleben, eingepfercht zwischen Leber und Milz, liegt sie und wartet darauf, dass wir sie wieder aufsetzen. Wenn uns etwas oder jemand dabei hilft, sei es der Frühling, der Chirurg, der eigene Partner, der Bäcker oder der Postler, dann sei´s drum. Diese Entscheidung liegt bei uns selbst. Und auch wenn sich die Dioptrien verdoppelt haben, die Nasenflügel verbreitert und die Stirn über den Gläsern ein bisschen verrunzelt ist, so ist es doch unsere Brille, die uns nach wie vor außerordentlich gut steht.

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Holzarbeiten
....Robin Hood und die Männer von Flake...
22. März 2015

...Robin Hood und die Männer von Flake...

Bald ist es wieder soweit. Wenn sich die Schneeglöckerl aus der Erde quälen, und wir das erste Vogelgezwitscher vernehmen, tut sich etwas in uns. Jedes Jahr ein wiederkehrendes Gefühl der Freude. Vollkommen geschlechtsneutral stelle ich das jetzt mal in den Frühlingsraum. Während ich nämlich die ersten warmen Momente aufsauge, mir einbilde mit jedem Atemzug ein wenig lebendiger zu werden, passiert mit den Männern dieser Welt etwas ganz Eigenartiges. Die Märzsonne vermag etwas auszulösen, etwas wachzurufen in den Untiefen der Männerseele. Die ersten Sonnenstrahlen als Triebfeder des Archaischen. Sie keimen während der kalten Monate sanft im Erdreich. Erkämpfen sich bei den ersten Plusgraden den Weg an die Oberfläche, um mit einer unermesslichen Begierde, den Urinstinkten in ihren Grundzügen folgend, aufzuflammen, die heldenhaften Geistesgüter, sie sind aus dem Winterschlaf erwacht. Die maskuline Vorstellung beginnt, mit einer Ouvertüre der Extraklasse: der Griff zu Kettensäge und Grillzange. Und jeder, der sich hier ein erotisches Stell-dich-ein erwartet, Anekdoten von triebgesteuerten Grandseigneurs, die mit dem Frühlingsbeginn sich und ihr Umfeld wiederentdecken, sei nicht enttäuscht … mit ein bisserl Phantasie … Verdient er doch durchaus Beachtung in vielerlei Hinsicht, der ho-ho-ho-raunende Robin Hood, wie uns in den 90-er Jahren Tim Taylor in Hör mal wer der hämmert bestens präsentiert hat. Er lebt immer noch, und ist auf der Jagd nach … ja, nach was eigentlich? Ein Exempel der besonderen Art finden wir beinahe an jeder Straßenecke. Vom Cottageviertel über den Grüngürtel, den Stadtrand bis in die Peripherie. Den brunftschreienden Heckenschneidehirsch. Er holt nicht einfach besagtes Gartengerät aus dem Keller, stutzt die Büsche und fertig. Oh nein. Ein Schauspiel von außerordentlicher Hingabe beglückt da alle weiblichen hinter den Jalousien lauernden Anwohnerinnen und vorbeispazierenden, joggenden oder walkenden Artgenossinnen. Das etwas zu eng anliegende originelle Shirt Ich bin nicht 40, sondern 21 mit 19 Jahren Erfahrung und die obligaten Bundesheerstiefel, die somit zumindest irgendwann für irgendwas von Nutzen sind, stellen nur das Intro dar. Dazu, im besten Fall, die Shorts, die den Blick auf Fußballwade und Tennissocke offenbaren, im schlechtesten Fall, die Camouflage Hose, um sich bei drohender Gelsengefahr schnell hinter den Busch werfen zu können, im fadesten Fall die löchrige Jogginghose. In jedem Fall allerdings der obligate Werkzeuggürtel, wobei dieser bei innovativen Exemplaren bisweilen durch das Multifunktionswerkzeug Leatherman ersetzt wird. Klein, aber oho! Warum gerade das in der Männerwelt eine Revolution darstellt, erspare ich mir zu analysieren. Glaube ich doch im Gegensatz zu vielen Therapeuten nicht an die ständige Identifizierung unser selbst mit Gott und der Welt. Aber interessant ist es schon … Bis es also den Ästen an den Kragen bzw. an die Spitzen geht, ist eine gewisse Vorbereitungszeit von Nöten. Kurz bevor der folterähnliche Klang der Heckenschere an des Umfelds Ohr dringt, wird noch von einem tiefen Seufzer begleitet in die Hände gespuckt. Da besagtes Werkzeug sicher an die zwei Kilo wiegt, eine vollkommen nachvollziehbare Handlung. Warum dann der 18-jährige Lehrling, der letzte Woche den 300 Liter Wasserboiler in den Keller geschleppt hat, seine Handflächen nicht mit seinen Bakterien befeuchtet hat, weiß kein Mensch. Selber schuld, wenn er sich dann so geplagt hat mit dem schweren Teil. Dann endlich der Druck aufs Knopferl, jetzt wird ihm der Gar ausgemacht, dem meterhohen Dickicht. Ein paar traurige Ästchen fallen zu Boden und es scheint mir fast, als hörte ich ihr leises Gelächter. Kurz bevor sie das Innere der Biotonne erblicken, ein fast spöttischer Aufschrei verbunden mit ein wenig Stolz, dass wegen ihnen so ein Aufwand betrieben wird. Zur selben Kategorie, quasi in die Schublade des maskulinen Non plus Ultras, stelle ich den mit Bunsenbrenner und Grillzange bewaffneten Holzkohlenjunkie, der unabhängig vom Wetter, die Feuerstelle anwirft. Auch da immer wieder die ho-ho-ho-Schreie, der Blick auf die von der Hitze der Glut schweißnasse Oberarmmuskulatur. Animalisch – archaisch! Und selbstredend darf er nicht fehlen. Der Holzhacker - das Klischee an sich. Das Phänomen, warum in einem Niedrigenergiehaus, trotz des Umstandes, dass dieses mit einem Teehäferl zu heizen wäre, jeder einen Kachelofen oder zumindest irgendeine Art der Feuerstelle braucht, führt sich selbst ad absurdum. Außer frau bezieht in ihre Bedenken mit ein, dass es kaum etwas Virileres gibt, als den Schwung mit der Axt. Noch dazu mit der heroischen Absicht, Frau und Kind mit dem damit verbundenen Endprodukt zu erwärmen. Schon bei dem Gedanken daran, beginnt es in mir zu brodeln. Aber auch im innerstädtischen Bereich treffen wir die furchtlosen Männer von Flake. Da geht es halt den Fahrradschläuchen an den Gummi oder die Blumenkisten am Balkon werden fachmännisch geeggt, gepflügt, besät und veredelt. Manche Männer haben ihr ho-ho-ho-Erlebnis, wenn sie die ma48 besuchen, dort auf viele Gleichgesinnte stoßen und sich mit einem hiesigen Teilzeitbeamten via Blickkontakt darauf einigen, den zwei oder vier oder sechs Tonnen schweren Schirmständer alleine in den elend hohen Container zu hieven. Nach vollbrachter Tat ohne Bandscheibenvorfall wächst das ho-ho-ho ins Unermessliche. Ich hätte noch einige Modelle zur Auswahl, aber ich bin mir sicher, jeder hat gewisse Bilder vor sich, deren Perfektionierung ich mich hier nicht weiter hingeben muss. Voraussetzung für all das: es findet im Freien statt. Die Wiederentdeckung der Natur in Symbiose mit dem Wiederentdecken der Männlichkeit. Bei all diesen maskulinen Versuchungen wird natürlich verallgemeinert, generalisiert, kategorisiert und katalogisiert. Ohne jegliche Objektivität. Vollkommen verpönt und geht eigentlich gar nicht. Aber als ich heuer das erste ho-ho-ho erblickte, kam es einfach über mich. Im Übrigen schneide ICH unsere Hecke. Bevorzuge Handschuhe statt Spucken und meinem ho-ho-ho fällt das Ganze nur auf, weil er fluchend die randvolle Biotonne auf die Straße schieben muss. Falls sich dem einen oder anderen Männerhirn ein feminines hi-hi-hi offenbart, das nach Beachtung schreit, lassen sie es mich wissen!

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Klavier-Tastatur
...Applaus, Applaus...
12. März 2015

 

...Applaus, Applaus...

Jurymitglieder sind auch nur Menschen. Zumindest wenn sie ihrem ordentlichen Beruf nachgehen, der im besten Fall, aber leider nicht immer, ein bisserl was mit dem zu tun hat, das ihnen in ihrer Funktion als Jurorin bzw. Juror zu beurteilen obliegt. Sprich, habe ich irgendetwas mit Wirtschaft am Hut, darf ich Jungunternehmerinnen fördern, bin ich Koch, darf ich die Abenteuermenüs der jungen Küchenchefs verschnabulieren, bei einer Weinpräsentation darf ich ungeniert vor mich hinspucken, als Kammersänger darf ich bei der Aufnahme zu den Wiener Sängerknaben mitträllern und bin und kann ich nix, aber heiße Larissa Marolt, darf ich überall mitreden. Warum ich mir gerade über das Gedanken mache? Durfte ich doch das letzte Wochenende einem Musikwettbewerb beiwohnen, wenn auch nicht als Jurymitglied. Und gleich vorweg, auch nicht als Musikerin. Belasse ich es doch mit meinen künstlerischen Fähigkeiten lieber beim Tippen in die Computer- als in die Klaviertastatur. Meine Funktion und auch meine Person dort waren von mäßiger Bedeutung, weshalb ich auch Zeit und Muße fand, aufmerksamst zu beobachten und zu lauschen. Und das nicht ausschließlich dem musikalisch begabten Nachwuchs unseres Landes. Um 9:30 beginnt das Spektakel, gegen 18 Uhr ist das zu erwartende Ende anberaumt. Bereits eineinhalb Stunden vor Beginn finden sich nervöse, in Anzüge und Kommunionskleider gestopfte Kinder in Begleitung noch nervöserer Musiklehrerinnen und fast hyperventilierender Eltern im Festspielhaus ein. Das sonst eher kühle Gebäude wird schlagartig aus dem Tiefschlaf gerissen. Ein Gewurl ist das! Zappelige Kinderfüße in frisch geputzten Ballerinas, wuselige Mamas, Papas, Omas und Opas, verschlafene und sich ihrer Nebensächlichkeit durchaus bewusste Geschwisterkinder schwirren unkoordiniert umher, angesteckt von der kribbeligen Spannung, hüpft doch das ausgestoßene Adrenalin, gleich einer Kopflaus, von Scheitel zu Scheitel. Ohne Ausnahme. Rücksichtslos erkämpft es sich jeden, vom großzügig verlegten Teppichboden elektrisierten Haarschopf und verwandelt ihn in eine 12-Volt Batterie. Gut so, jetzt sind wenigstens alle munter. Und außerdem gehört das ja dazu, zu einem Wettbewerb. Ja, ist sogar das Wesen eines solchen. Warum sonst, hätte frau bzw. man, Kind und Kegel Gefallen daran, sich zu messen, beurteilt zu werden für das Geleistete. Weil es spannend ist. Das stellt den Hauptgrund dar, die prozentuell zu vernachlässigbaren übrigen Motive sind bei Heranwachsenden und Erwachsenen meist unterschiedlicher Natur. Während Lehrerinnen und Eltern durchaus am Fachgespräch zwecks Tippgebung für die Zukunft interessiert sind, und es auch genießen, dass besagter Kleinkünstler an der hiesigen Musikschule behandelt wird, als wäre er das Gelbe vom Ei, sind für die Klein- und Großknirpse im Wesentlichen zwei Dinge von Bedeutung. Im besten Fall fällt das Datum an einen Wochentag mit Mathematikschularbeit, Biologietest und Deutschreferat, garniert mit schulärztlicher Peinlichkeits-Untersuchung und Werkunterricht. Da beneidet einem die gesamte Klasse um die feierlich übergebene Entschuldigung. Der zweite Grund, weil die stolze Großmutter, weil der Burlibua so guat gspuit hat, selbstredend ein Geschenk springen lässt. Da ist der Burlibua natürlich live dabei, präsentiert in acht bis zehn Minuten sein Erlerntes einer vierköpfigen Fachjury, holt sich Lob ohne Ende und genießt den Tag. Und der ist eben aufregend. Marcel Hirscher wird auch nicht Entspannungsphase Ohhhhhm erreichen, kurz bevor er sich mit 120 kmh die Streif runterhaut. Das gehört ja wohl auch dazu. Die Jurorinnen und Juroren tragen natürlich ihr Scherflein dazu bei, dass sich die Luft ein wenig adrenaligeschwängert einatmen lässt. Sitzen doch die Facheminenzen, in unserem Fall eine Frau und drei Männer an einem dezent dekorierten Tisch, und lauschen den Klängen bzw. Unklängen der Darbietenden. Ernste Blicke, nur das Kratzen des Bleistifts ist zu hören, in den Pausen zwischen den Stücken, in denen keinesfalls applaudiert werden darf. Es wird also mit Tasten hantiert, an Saiten gezupft, Blech- und Holzblasinstrumenten Töne entlockt, Schlägel in der Luft und auf Vibraphonen herumgewirbelt und auf Pauken eingeschlagen. Bis zur Perfektion Nuancen ausgearbeitet, Achtelschläge pointiert und Übergänge faconiert. Das alles wird von der Jury detailgerecht protokolliert und im anschließenden Beratungsgespräch kommentiert. Es wird also von allen Beteiligten ununterbrochen und viel ge –tiert, mit dem Ziel, Alt und Jung nach der Preisverleihung zufrieden von Dannen ziehen zu lassen. Zufrieden! Das scheint die Prämisse zu sein. Denn sowohl in den Einzelgesprächen, als auch bei der Urkundenübergabe wird gegrinst, beklatscht und in den Musikhimmel gelobt. Die Benotung an sich rückt in den Hintergrund. Das Zeugnis wird für das obligate Familienalbum, und damit die Oma das Geschenk nicht vergisst, in die Kamera gehalten und dann auf Nimmawiedersehen einem Elternteil in die Hand gedrückt. Ansonsten stolze Gesichter, überall. Bei der Jury gepaart mit einem gewissen Hauch an Erleichterung, weil auch dieser Tag ein Ende hat. Es folgen nur noch 13 Ähnliche. Und auch das grenzt, trotz angeblich guter Bezahlung, ebenfalls an eine Höchstleistung. Geht es nämlich nicht nur um die so sehr erwünschte Objektivität und Fairness. Es dürfen -laut Wettbewerbsregeln- weder Sympathie noch Antipathie in die Beurteilung miteinfließen. Kein Mitleid, wenn die Hände so zittern, dass beim Umblättern die Noten gen Zuschauerraum segeln. Keine Barmherzigkeit, wenn der 14-Jährige unter größter Scham Tränen vergießt, die ihn, vom pubertierenden Coolman zum Häufchen Elend mutieren lassen. Keine Gefühlsregung, wenn sich beim Emporschreiten die Pianistin über ihr Tutu aus Tüll dasteßt und schlussendlich durch ihre Pyramide am Kopf das Gleichgewicht verliert. Beurteilt werden darf ausschließlich die musikalische Darbietung. Doch zum Glück werden Regeln gebrochen! Dankenswerterweise pfeifen viele der Jurorinnen und Juroren auf die Statuten, nämlich in dem Sinn, dass sie reagieren wie Menschen. Vermutlich weil sie welche sind! Und es denkbar unmöglich scheint, Gefühlsregungen auszublenden. Da huscht, bei genauerer Beobachtung, durchaus ein Lächeln über die Lippen, beim Wahrnehmen der bibbernden Hände und erblassten Gesichter. Da hilft ein vielsagender Blick dem Jugendlichen, der sich gerade wünscht, die Erde würde sich unter ihm auftun. Dies alles geschieht vermutlich mehr unbewusst als bewusst, doch glücklicherweise haben wir ein Unterbewusstsein und bedienen uns dessen. Und genau aus diesem Grund gehen unsere Nachwuchskünstler auch gerne dort hin. Weil ihnen keiner sagt, was sie alles falsch machen, sondern weil sie von Erwachsenen behandelt werden, wie kleine Künstler. Und nicht wie große Künstler. Viel Lob, ein bisserl positive Kritik, gut verpackt in einen motivierenden Appell zum Weitermachen. Würden wir Erwachsenen auch so miteinander umgehen, wären Lob und Anerkennung statt Kritik und Ablehnung unser Impuls, würden wir alle vielleicht ein wenig motivierter vor uns hin leben. Leicht gesagt, ich weiß. Zwischen Theorie und Praxis ist ein oft unüberwindbarer Graben. Und doch werde ich das nächste Mal, wenn der Wasti wieder in meinen Vorgarten kackt, Hund und Herrl freundlichst darüber aufklären, dass ich außerordentlich entzückt über die rege Darmtätigkeit dieses Vierbeiners bin, der Wasti sich seiner Verdauung aber vielleicht noch intensiver hingeben könnte, würde er sich des Gartens drei Häuser weiter bedienen. Ein Versuch ist es wert. Vom Wasti und von mir!

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Fußballspieler auf Bank
...Bam-Bam-Bam-BINIS...
6. März 2015

 

...Bam-Bam-Bam-BINIS...

Wie frau bzw. man nach dem Genuss meiner Texte bereits wissen, verschönern zwei Jungs meinen Alltag. Fünf und zehn, zuckersüß und einfach zum Anbeißen. Meistens zumindest. Korrekterweise, und um eine Ehekrise zu vermeiden, sei auch der Dritte erwähnt. Schon lange volljährig, nicht mehr ganz so süß, und nur mehr manchmal zum Anbeißen. Nun ist es ja so, dass einem bei der Entscheidung für Kind Nummer zwei, vorausgesetzt frau hat sie, eine Menge durch den Kopf geht. Schlaflose Nächte, verkrampfte Schulterblätter, Bäuerchen und Speiberei, winzige Zecherl streicheln und Popopacken kneifen. Ganz einfach Babykram. Lange her - halb so schlimm. Was aber nun kommt, sich auf Stoppelsohlen besetzten 28-ern ankündigt, ist meinerseits nur sehr schwer zu ertragen. Bei dem Gedanken daran, bildet sich Angstschweiß auf meiner Stirn, und Bilder von gatschüberfluteten Autositzen, blauen Schienbeinen und wetteifernden Supervätern huschen im Eiltempo vorbei. Messi II hat Fußball entdeckt. Und zwar nicht am Bildschirm, wo es durchaus auch für mich anregend sein kann, wenn Luxuskörper und teilweise Luxusgesichter über den Rasen trippeln, sondern im Verein. Bambinis nennt sich diese Form der Körperertüchtigung. Blauäugig und naiv dachte ich, ich hätte das alles hinter mir. Hat sich doch der Größere der beiden irgendwann dafür entschieden, sich nicht mehr um eine Lederwuchtel zu streiten, sondern lieber orange Bälle in vier Meter hohe Körbe zu katapultieren. Das ist zumindest drinnen und ich friere mir nicht bei drei Grad den Allerwertesten ab, während ich zusehen muss, wie zwölf kleine Eskimos Gatschfußball spielen. Nun, meine Hoffnung wurde bitter enttäuscht und ich durfte mich letztes Wochenende auf der äußerst sauerstoffarmen Tribüne einer Sporthalle im Nirgendwo einfinden. Mit allem was dazugehört. Aber der Reihe nach. Ein olfaktorischer Erinnerungsschwall überfällt mich beim Betreten der vollkommen überfüllten Spielergarderobe. Fast so, wie man manchmal glaubt, sich an den Geruch vom 25 Jahre vergangenen Schikurs zurückzuerinnern. Nur eben nicht ganz so angenehm. 30 Mütter und Väter versuchen gleichzeitig die Sprösslinge aus dem Wintergewand herauszuschälen um sie gleich darauf in Minidressen wieder hineinzuschälen. Nach spätestens zehn Minuten sind alle Erwachsenen schweißgebadet, taub vom Lärmpegel, nur um festzustellen, dass die Schienbeinschoner, die zweifelsohne unter die Socken und in die Schuhe gehören, vergessen zu haben. Also das ganze wieder von vorne. Krampf in den Oberschenkeln, weil man bzw. frau dabei ja fast am Boden liegt, und der finale Zusammenbruch bei den abschließenden Worten Mama, ich muss lulu! Viele Männer und wenig Frauen begeben sich also nach dem Einschälverfahren, mit Filterkaffee und Smarties-Muffin ausgerüstet, auf die Zuschauertribüne. Auch wenn einem wahrlich mehr nach Prosecco wäre. Das schickt sich aber nicht. Ist es nämlich so, dass bei sportlicher Betätigung des Nachwuchses auch die dazugehörigen Väter plötzlich zu Hobbysportlern mutieren. Sich ins mittlerweile sehr figurbetonte Laufoutfit quälen, die Wasserflasche in der linken Hand, die rechte mit offener Handfläche leicht abgewinkelt in die Höhe streckend, muss man sich in unmittelbarer Nähe eines Fußballplatzes, offenbar mit Einschlag und einem Seas begrüßen, statt sich die Hand zu geben wie im normalen Leben. Warum dem so ist, kann ich beim besten Willen nicht erklären, begrüßen sich Frauen in unmittelbarer Umgebung von Yogamatten ja auch nicht ooohhhm flüsternd in der Kamelhaltung. Meine Verblüffung über das Wunder Fußballvater wird ungalant durch einen Schrillton unterbrochen. Anpfiff! 13 Minuten pro Spiel, 12 Buben im Kindergartenalter, EIN Ball. Scheinbar kein gewöhnlicher Fußball, ein Leichtmetallball, und in den Stutzen der Zwerge versteckt, die dazugehörigen Magnete. Ist es nämlich so, dass die Spieldevise lautet: überall wo der Ball ist, bin ich auch. Und zwar immer. Was bedeutet, dass sich während der gesamten 13 Minuten mindestens acht Kinder -die Tormänner und das tratschende Geschwisterpaar ausgenommen- um den Ball tummeln, was wiederum einen exakten Torschuss denkbar unmöglich macht. Trifft man doch eher das Schienbein vom Maxi als auch nur annähernd die Richtung des gegnerischen Tors samt Zwergerltormann. Das macht aber nix. Auf Fünferkette, Flanken und Co. wird gepfiffen, stattdessen wird in traubenähnlicher Formation der Lederwuchtel nachgeeilt. Und wie! Einen unheimlichen Spaß haben die da unten. Angeführt von zwei attraktiven Blondinen, die es bravourös meistern zugleich Trainerinnen mit schroffem Ton und Mamas für weinerliche Minuten zu sein, zeigen uns die kleinen Meister, was Freude am Fußball ist. Da wird gelaufen, was die Beine hergeben. Da wird gejubelt, wenn sich der Ball ins Tor verirrt, da wird hemmungslos drauf losgebrüllt, wenn einem der vom Kindergarten, den er jetzt überhaupt nimma mag, auf die Seite schubst. Aus mit der Freundschaft. Mindestens bis morgen. Da wird dann im selben Augenblick vom doppelt so großen und mehr als sonst grinsenden Schiedsrichter abgebrochen, und der vor sich hin Schluchzende umsorgt, umschwanzelt und getröstet. Von allen. Trainerinnen und Spieler bedauern und streicheln und der Zuschauertribüne entkommt ein geschlossenes und mitfühlendes Ooooooh… Klar gibt es sie auch hier. Die sogenannten Eislaufväter. Das sind meist diejenigen, deren deutlicher Ansatz zum Bierbauch, die Sicht auf gewisse Dinge verwehrt. Par exemple den Weitblick dafür, dass wir hier Fünfjährigen zusehen! Aber sie sind nur vereinzelt wahrzunehmen, hi und da vernehme ich ein Geh bitte renn! Oder ein Des glaub i jetzt oba net! Diese qualitativ hochwertigen und vor allem pädagogisch wertvollen Aussagen gehen aber zum Glück unter in den stolzen Bravo Rufen des Drumherums. Schlusspfiff! Begeisterung am Spielfeld, auf der Zuschauertribüne, hinter dem Tombolatisch und dem Buffet, vor der Tür im Freiluftraucherkammerl, in den Garderoben und vermutlich auch am Klo. Nahezu alle grinsen sich an, denn alle haben etwas gemeinsam: den Stolz! Stolz auf den eigenen Nachwuchs. Auf dieses doch noch so kleine Wunder Mensch, das jetzt auf einmal so groß ist. Mein Angstschweiß hat sich verflüchtigt, den Gatsch am Kind, im Auto und im Vorzimmer werde ich, in Anbetracht der bevorstehenden Sommersaison, in Zukunft einfach negieren, die blauen Schienbeine verarzten und den Maxi, wenn er wieder schubst, wo er nicht schubsen darf, aus Solidarität auch bis mindestens morgen nicht mögen. Ins hautenge Fitnessleiberl zwänge ich mich trotzdem nicht, denn ich finde jeder Enthusiasmus sollte durchaus seine Grenzen haben, aber ich werde so lange froh darüber sein, diesen kleinen Sportevents beiwohnen zu dürfen, solange diese Zwerge solchen Spaß haben. Und solange die Eltern der Nachwuchsstars ihn diesen Spaß gönnen – das Einzige nämlich um das es hierbei geht! Und ich hoffe inständig, dass ich mir diesen positiven Gedanken auch für die weitern Ligen bewahren kann, auch wenn mir dann spätestens bei der U10, ein Papa mit Bierbauch ein Oida renn endlich und schiaß! ins Hörorgan grölt. Vielleicht bin ich dann aber schon so hineingewachsen in diese Welt, bin vom Fußballfieber infiziert und zwitschere ihm ein Hoit in Schlapfen entgegen.

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Rosa Herzen 3D
...Lass uns schmusen...
13 Februar 2015

 

...Lass uns schmusen...

Wenn ich das zu meinem Fünfjährigen sage, habe ich eine 50-50 Chance, dass er „Juchu!“ schreit und mir um den Hals fällt, oder ein beinhartes „Jetzt nicht!“ äußert. Wenn mir das bei meinem Zehnjährigen entwischt, ernte ich mittlerweile nur mehr ein süffisantes Lächeln. Das war nicht immer so. Denn vor einem halben Jahr noch, kam ein lautes „Neeiiin“. Ich habe mich also von der peinlichen Mama in Richtung gar nicht mehr ernst zu nehmende Mama entwickelt. Ein Abstieg, meines Erachtens. Freude überkommt mich bei dem Gedanken, auf was für einer Stufe der Peinlichkeitsskala ich mich in zwei Jahren befinden werde. Da schleiche ich dann getarnt mit Greta Garbo Sonnenbrille und überdimensionalem Krempenhut vor der Schule herum, verstecke mich hinter einer Säule auf der Lauer liegend, oder doch lieber stehend, beim Erblicken des Sohnemanns seinen Namen flüsternd, um ihm ein unauffälliges Zeichen zu übermitteln in welcher Richtung sich das Fluchtauto befände. Nur um dann, selbstverständlich in einem respektablen Abstand, zum Gefährt zu huschen und blitzartig die potentielle Gefahrenzone zu verlassen. Und selbst nach dieser Rasanz an Unauffälligkeit werde ich lediglich ein angewidertes Augenrollen ernten. Wie gesagt, ich werde diese Jahre lieben. Und falls es mich dann in der bloggenden Form noch gibt, davon berichten. Nun waren wir ja alle mal Kinder, Jugendliche oder Ähnliches. Wenngleich ich auch niemals ein Bub war, das Schämen für die Eltern aber vermutlich geschlechtsneutral ist. So wird es der Liselotte vermutlich genauso peinlich wie dem Gustav sein, wenn die Mama ein „Schatzi“ über den Schulhof kreischt. Vorausgesetzt sie befinden sich etwa im gleichen Alter. Vielleicht helfen aber Erlebnisse, wie ich sie neulich hatte, ein bisschen besser damit umzugehen. Ein Déjà-vu exorbitanten Ausmaßes ereignete sich Samstag früh beim Schulschikursbus. Möglicherweise habe ich schon einmal erwähnt, dass ich nicht die coolste Mutter bin. Im Gegenteil. Ich bin das sentimentale Häferl, dass sich am liebsten mit in den Koffer packen würde, wenn es darum geht, dass der Nachwuchs das traute Heim verlässt. So bin ich eben. Nicht gerade zur Freude meiner Mitmenschen, die natürlich ständig in den Genuss von gluckenhafter Überbemutterung kommen, aber mittlerweile mit einer gewissen Ignoranz damit zu leben gelernt haben. Luki Mama, Sebi Papa, Lara Oma und Co. finden sich also minuziös um 8 Uhr am Schulparkplatz ein. Nicht so, Familie „Wir“. 7:34 zeigt die Uhr anklagend, als wir den gähnend leeren Treffpunkt erreichen. Das erste „Geh bitte, Mama“ dringt ungedämpft an mein Ohr. Wir steigen also bei Schneegestöber aus dem Auto aus und warten. Warten und warten. Und wie ich so vor mich hin warte und hin friere, frage ich mich, ob ich es vielleicht doch ein bisserl gut gemeint habe mit Pünktlichkeit. 96 Kinder sind für dieses einwöchige Schispektakel angemeldet, was bedeutet, dass sich 95 Elternteile nix pfeifen, jeder sich möglicherweise ergebenden Gefahr wiedersetzen und weder Stau, Unfall, Glatteis, Lawine oder Erdbeben in den Zeitplan mit einberechnen. Grob fahrlässig, wie ich finde. Auf zwei Kilometern ampelfreier Freilandstraße können durchaus Stundenkostende Hindernisse lauern. Nun gut. Alle sind cool, ich nicht! Um 7:46 trudelt dann zumindest der Bus ein. Ein höchstmotivierter vor sich hin nuschelnder Chauffeur leistet uns Gesellschaft, oder besser gesagt Nicht-Gesellschaft. Die Blicke meiner Lieben muss ich hier wohl nicht weiter erwähnen. 7:58 und der Parkplatz füllt sich schön langsam mit Schi- und Kofferkämpfenden Eltern. Es folgt die Riesenaufregung, wer neben wem sitzt, ob man sich für die letzte, natürlich coolste Reihe im Bus entscheidet, damit aber zugleich in Kauf nimmt, dass einem bestenfalls der Nachbar, schlechtesten falls man selbst ins obligate Speibsackerl reiert. Gedränge vor dem Einstieg, der erste Unfall, weil die Marie-Sofie aus der „B“ es nicht schafft, mit den Fell-Grogs und einem Handgepäck, das sogar in der Business Class der Emirates Airlines verboten wäre, die drei Stufen des Reisebusses zu erklimmen. Kleine Eskalation, beinahe Kollaps der Marie-Sofie Mama, großes Pflaster und endlich sitzen alle! Bei dieser Gelegenheit sei noch kurz erwähnt, dass sich Mädchen bereits im September ausmachen, wer im Jänner neben wem im Bus sitzt. Buben, wie ich jetzt weiß, besprechen das eine Woche vor Schikursantritt, um sich dann in den Sitzreihen wiederum völlig anders zu positionieren, nämlich einfach in der Reihenfolge, in der sie einsteigen. Das Faszinierende: es ist ihnen wurscht! Für mich als Ex-Mädi vollkommen unverständlich. Aber jetzt zu meinem Déjà-vu. Ich hänge also quasi heulend am Bus, bussle in Richtung Kind, das mich zum siebenten Mal an diesem noch so jungen Morgen mit einem Augenrollen beschenkt. Ich versuche mich in Gebärdensprache, erheitere damit die Adoleszenten neben mir, demütige mein Kind im Wageninneren. Und da sehe ich ihn vor mir. Meinen Vater. Wie er mit Tränen in den Augen vor dem Bus stand, vor fast 30 Jahren. In den uncoolsten Jeans, die die Welt je gesehen hat. Hätte ich -mit pubertärem Speck gut gepolstert- unter den Sitz gepasst, ich wäre ohne zu Zögern darunter verschwunden. Da standen sie nämlich, die ganzen anderen unpeinlichen Eltern. Ich empfand den vor sich hin rotzenden Papa vom Rainer als völlig normal, die Mama von der Martina, die offenbar beim Friseur ein wenig zu lang in den Genuss des Färbemittels kam, als geradezu sympathisch. Wunderte mich nur, warum die Martina hinter mir, partout die Mütze nicht aus dem Gesicht nehmen wollte. Nur mein Vater, wie er so dastand und die Augen nicht aufhören wollten zu tränen, weil der Wind sich immer wieder in ihnen verfing, und er dann sein kariertes, von mir so gehasstes Stofftaschentuch rausfingerte, um sich zuerst die Tränen abzuwischen und dann, durch einen trompetenartigen Schnäuzer, der Peinlichkeit die Krone aufzusetzen. Die Minuten bis zur Abfahrt, bis der Busfahrer endlich den ersten Gang einlegt, eine sich endlos in die Länge ziehende Kaugummiwurscht. Und jetzt stehe ich da. An seiner Stelle. Mit den uncoolsten Jeans, die die Welt je gesehen hat und der Packung Tempo Taschentücher. Und ich sehe es ihnen an, den Insassen des Blechriesen. Wie sie ihre Sippschaft mit Blicken wegzaubern möchten. Doch nix da. Standhaft winkt der ganze Familienanhang, bis der Bus um 8:45 um die Ecke biegt. Genauso wie damals. Manches ändert sich offenbar nie. Eine Woche später, der längsten Woche in meinem zarten Mutterdasein, holt man das selbige maunzende Gör, mit dem selbigen peinlichen Ritual wieder vom Bus ab. Bedauert, wieder die peinliche Jeans angezogen zu haben, aber immerhin: die Tempos hat man nicht gebraucht. Man packt den Spross ins Auto, die olfaktorischen Sinne machen einem deutlich darauf aufmerksam, dass er dieselbe Garderobe trägt, wie vor 7 Tagen, man bemerkt, dass ein Snowboardschuh es offenbar nicht bis in den Bus geschafft hat, was mit einem Schulterzucken kommentiert wird und begibt sich mehr oder weniger erleichtert auf den Heimweg. Zu Hause angekommen geht alles sehr schnell. Ein paar unbedeutende Wutausbrüche, ein Auszucker, eine Grundsatzdiskussion, das übliche eben. Alles in 30 Minuten erledigt. Was dann folgt, ist nicht nur wunderschön, sondern von einer solchen Intensität, dass ich die Tempos doch noch brauche. Eine innige Umarmung, ein von Herzen kommendes Hineinkuscheln in die Mama-Kind Beziehung. Jetzt ist er wirklich nach Hause gekommen und ich habe meinen Sohn zurück! Obwohl wir vieles wissen über Kindererziehung, über das Erwachsen werden, über die physischen und psychischen Veränderungen, das emotionale Chaos und das nicht Wissen wohin man gehört, so ist es doch nicht immer leicht zu ertragen – das Augenrollen und dessen Nebenwirkungen. Wenn wir uns aber öfters in Gedächtnis rufen, was wir damals fühlten, haben wir vielleicht zumindest ein bisserl mehr Geduld. Und investieren mal in eine neue Jeans, wobei es fraglich ist, ob es mir wirklich steht, wenn der Popschansatz bei den Kniekehlen hängt. Und ich würde wahrlich viel dafür geben, noch einmal das karierte Stofftaschentuch an den Wangen meines Vaters zu sehen.

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Domino-Cookies
...vom Cappuccino zum grünen Tee...aber zu zweit...
30. Jänner 2015

 

...vom Cappuccino zum grünen Tee...aber zu zweit...

Das Leben einer mehrköpfigen Familie im Jahre 2015, wo Gleichberechtigung -so scheint es- eine Selbstverständlichkeit ist, über Aufteilung nicht diskutiert werden muss, weil sie eben aufgeteilt ist, wo alles durchgegendert ist von Kopf bis Fuß, alles gemeinsam entschieden wird, kurz gesagt, niemand den Rock bzw. die Hose anhat, ja, dieses Leben ist oft nicht so wie es scheint. Denn Mathilda und ihr Göttergatte Oskar befinden sich in einer Krise. Einer Ehekrise, wenn auch einer kleinen. Doch da man die Konfliktviren, die bekanntlich äußerst schnell zu gehässigen Scheidungsviren mutieren, im Keim ersticken, sie quasi beim Schopf packen und meinetwegen über den Zaun in die Nachbarfamilie katapultieren möchte, beschließen die beiden, in einem der wenigen friedlichen Momente, daran zu arbeiten und etwas zu unternehmen. So gut, so lobenswert. Hoffnungsvoll und zuversichtlich wird in die Zukunft und um sich herum geblickt. Doch dieser Optimismus ist leider nicht von Dauer. Wie sich bald herausstellt, hole sie dieser verflixte Alltag fortwährend ein, wie mir beim dritten Espresso auf nüchternen Magen wehmütig mitgeteilt wird. Nun sind wir ja alle belesene Menschen, die in ihrem Dasein doch schon das eine oder andere lebensbejahende Literaturwerk durchgeblättert haben. Wo sich Psychologinnen und Therapeuten, Heilkundige und Lebensberaterinnen darum streiten, wie man sich selbst, den anderen und alles Drumherum, ganz einfach -am besten in zehn Schritten- in den Griff bekommt. Schade nur, dass es sich meist um weibliche Lesejunkies handelt, die sich dieser Art von Lektüre bedienen. Die Sammler und Jäger unter uns finden ihre Antworten eher beim gemeinsamen Bier in geselliger Runde, bei der anregenden Weinverkostung oder in der ungezwungenen Saunaatmosphäre. Das sind Klischees, ich weiß, aber diese festgefahrenen Vorstellungen haben ja durchaus einen Ursprung, also zumindest in meinen Texten auch eine Berechtigung. Diese guten Ratschläge, die vom Buchhandel oder vom weinschlürfenden Kumpel, wie auch immer, propagiert werden, sind also einfach zu verstehen, allerdings weniger einfach in die Tat umzusetzen. Da wird von „Lerne dich selbst zu lieben“ gesprochen. Damit haben wir doch kein Problem, oder? Wir lieben uns doch eh, um unser Gegenüber geht’s. Wir mögen UNS sogar sehr, aber eben den oder die an unserer Seite nicht. Oder zumindest nicht immer. Oder möglicherweise nur nicht mehr so intensiv wie früher. Oder vielleicht schon und wir spüren es nur nicht mehr. Ich schweife ab. Also, bei solchen Behauptungen sind jedenfalls Ausdauer und eine gewisse Portion Phantasie vonnöten, um nicht gleich beim Studieren des Buchrückens die Flinte ins Korn bzw. den Mann über die Häuser zu werfen. Eigentlich, und vielleicht ist ja das des Pudels Kern, wollen wir nicht an uns, sondern am Verhalten unseres Gegenübers arbeiten. Und das haut eben nicht hin, denn wie bereits jedem Kleinkind eingetrichtert wird, einen Menschen kann man nicht ändern! Was soll das dann bitte alles? Warum kaufen wir Ratgeber von Ratgebern ohne Ende, die uns nach dem Verzehr ihrer Seiten eine perfekte Beziehung versprechen? Warum boomt der Markt für Paartherapeuten, als handle es sich bei deren Offenbarungen um die ultimative Prophezeiung unseres Jahrtausends? Gute Frage. Keine Ahnung. Ich hege ja insgeheim den Verdacht, dass der gemeine Mentoraufsuchende unter uns, in Wahrheit nur die Bestätigung seiner eigenen Gedanken sucht. Das „Ja und Amen“ einer Koryphäe, das sein bzw. ihr Verhalten das richtige, das des Partners das falsche sei. Denn mit dieser Quintessenz ließe es sich dann schon ganz gut leben. Das Mathilda-Oskar-Ensemble, das sich dazu entschlossen hat, ebensolche Kapazität aufzusuchen, wurde allerdings -vorerst- bitterbös enttäuscht. Wie sich nämlich bedauerlicher Weise herausstellt, verstehen diese Experten wirklich etwas von ihrem Fach und es plätschert statt der sehnlichst erwarteten Zustimmung, die eher objektiv nüchterne Aha-Berieselung über den Therapeutenschreibtisch. Zum Unmut meiner Freundin. Hätte sie nämlich ein verständnisvolles Nicken einem unparteiischen Ahso vorgezogen, als sie sich über das hundertmalige Drüberhanteln übers Mistsackerl echauffierte. Da war weit und breit kein verschwörerisches „Auf die Schulter klopfen“, weil der Mann im Haus hartnäckig versucht, das Dritte Kind zu sein. Und auch Oskar war ein bisserl trübsinnig beim Verlassen der stylischen Praxis in Wien Döbling. Hätte er doch bei diesem Honorar wenigstens ein wenig Rückendeckung in seiner für ihn gerechtfertigten Abneigung gegen das „Lass uns immer, bei jeder Gelegenheit und über alles reden - gib mir am Ende aber immer recht“ - Verhalten seiner Liebsten erwartet. Zumindest ein augenzwinkerndes Das-kenn-ich hätte ihm gereicht, hat er doch ganz bewusst einen gleichgeschlechtlichen Therapeuten auserkoren. Nur zwecks der Objektivität, versteht sich. Mittlerweile ist ein Monat vergangen, der Therapeut um einiges wohlhabender, meine Sitznachbarin um einiges entspannter. Mathilda, gedopt von Bachblütenessenzen und am grünen Tee nippend, in einem beinahe ambrosischen Zustand. Irgendwie habe sich etwas verändert. Der Oskar sei plötzlich so aufmerksam, über Nichtigkeiten wie besagtes Mistsackerl sehe sie jetzt ganz souverän hinweg, gestärkt durch ihr neues Ich. Es ginge doch um Wichtigeres, wie den gegenseitigen Respekt, das Zuhören, das aufeinander Acht geben und das gegenseitige Wertschätzen. Sie hielten sich jetzt beide an einige Regeln, unter anderem wird einmal pro Woche eine Frau-Mann Aktivität durchgezogen. Da seien der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Es gebe jetzt mehr Spontanität in der Zweisamkeit, aber auch mehr einzuhaltende Dogmen. Große Worte, denke ich mir, und ein wenig verwirrend. Bei der geballten positiven Energie, die sich da über das Kaffeehaustischerl wölbt, raucht mir nach meinem dritten Cappuccino schon ein bisserl der Schädel. „Prof. Wie auch Immer“ hat es also geschafft. Wie auch immer. Ob es hält, wird die Zukunft weisen. Fakt ist, Mathilda geht es besser. Also geht es auch ihrem Umfeld -Kind, Mann, Hund- besser. Und irgendwie auch mir. Denn eines habe ich aus dem Studium unzähliger Beziehungsschmöker doch herausgefiltert. Ändert man bzw. frau etwas in seinem bzw. ihrem Leben, dann überträgt sich das automatisch auf sein bzw. ihr Umfeld. Ein Dominoeffekt. Und somit ändert man ja doch auch sein Gegenüber. Nur eben nicht auf direktem Weg. Quasi arschlinks. So einfach ist das. Und doch so schwierig.

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offene Garderobe
...an den Iden des Januars...
15. Jänner 2015

 

...an den Iden des Januars...

15 Tage im Neuen Jahr. Er hat schon was, dieser Jahreswechsel. Nicht nur, dass ich jedes Jahr um Mitternacht meinen leicht melancholischen, von Prosecco unterstützten „ich hab ja alle so lieb – Modus“ einschalte, um Hälse falle und Busserl verteile, als gebe es keine physischen Schranken. Mich vom Flower Power Fieber infiziert fühle und dabei - so sagt man mir nach - bisweilen ein wenig vergesse, dass ich nicht unweit des Hippie Fiebers geboren wurde. Was, da braucht es keinen Albert Einstein, doch schon eine Weile her ist, was wiederum bedeutet, ich mich weit entfernt vom sorglosen Hair und Haschisch Gehopse befinde. Gut, diese paar Minuten im Jahr gönne ich mir trotzdem. Schon allein aus Sentimentalität und Tradition. In den letzten Jahren wurde es ja zunehmend hipper, diese Festivität zu verweigern, zu negieren, ja sogar zu verpönen. Man solle die Feste feiern wie sie fallen – gähn – spontaner sein, niemand solle einem aufoktroyieren, wann und wie viel Spaß man habe. Dem ist ja grundsätzlich nichts entgegenzusetzen, nur eben, dass ich Silvester einfach nicht verschlafen kann. Nennen wir es enthusiastische Gruppendynamik oder ganz einfach einen Vogel, Fakt ist, ich habe gerne eine oder besser mehrere Wangen zur Verfügung, die es sich Abzubusseln lohnt. Spätestens beim Lauschen des Neujahrskonzertes am nächsten Morgen ist es ohnehin vorbei mit berauschenden Phantasien und wonnetrunkenen Gedanken. Da bereitet frau für ihre Lieben wieder das Festtagsbrätchen zu, während sie auf die, mittlerweile auch von weiblichen Händen und Lippen gespielten, Tönchen im Fernsehen achtet. Doch nicht nur diese rauschende Party zu mitternächtlicher Stunde, auch dieser Beginn des Neuen Jahres, diese Eins statt der Zwölf hat irgendwie was Spannendes, Neues, Motivierendes. Womit wir bei den guten Vorsätzen wären. Ich mag sie nicht. Schon alleine deshalb, weil ich sie bisher nie einhalten konnte. Essen und Trinken abschaffen, die zwischenmenschlichen Beziehungen, die - nach fast zwei wöchigem Urlaub ohnehin an der Kippe stehen - von Grund auf überarbeiten, Gesundheit fördern durch die Aktivierung des Sportgeistes, Zufriedenheit und Wohlbehagen in den Tiefen der Seele aufstöbern, Lebensfreude und Bonheur, alles muss im Neuen Jahr endlich entdeckt, analysiert und gefühlt werden. Sich an Qualität, Quantität und Intensität steigern, bis sich spätestens im Dezember der Vorsatzbefürworter dem Platzen nahe auf Silvester freut, um endlich wieder einer neuen guten Absicht eine Chance zu geben. Wie soll man nach sechswöchigem Zuckerschock, den die Weihnachtszeit so mit sich bringt, plötzlich Schonkost favorisieren. Die Raucher, die in der Silvesternacht zwei Stangen was auch immer verqualmt haben, werden schon in aller Früh hustend nach Nikotin lechzen. Und der verkaterte jogginggehoste Partner, der unrasiert und sich ebenfalls den guten Vorsätzen widersetzend am Sofa klebt, wird von der Umstrukturierung der Beziehung ebenso wenig halten, wie man selbst. Die Ansprüche sind also erfahrungsgemäß hoch, die Ergebnisse bedauernswerter Weise klein. Was spätestens an den Iden des Januars, eben genau heute, einen unheimlichen Frustrationshype auslöst. Frau sich schon am Vormittag ein Torterl gönnt, sich die dritte Marlboro ins Gesicht steckt und heilfroh ist, wenn das - als liebevolles Weihnachtsgeschenk kaschiertes - einmonatige Probetraining im Fitnesscenter endlich sein Ende hat. Genau aus diesem Grund, mit diesen Erfahrungen und diesem Wissen ist der gute Vorsatz an sich ja nicht einmal eine Nuance seiner selbst wert. Und deshalb verzichten die Silvester-Routinierten unter uns schon seit Jahren auf diese Augenauswischerei. Bis jetzt zumindest. Denn beim heurigen Drei-Königs-Treffen - auch so etwas gibt es, sucht frau einen Grund zum Feiern - flog bei illustrer Runde ein neuer Ansatz über den Tisch, und traf mich ungebremst in mein Innerstes. Stichwort: Entrümpeln. Besagter Bekannter erklärte das mit den Worten, es hätte sich in den letzten Monaten eine Menge angesammelt, er habe beschlossen, sich und seine Familie von einigen Altlasten zu befreien. Beispiele folgten, „Ohhh´s und Ahhh´s“ der Zuhörer, Kritik und Zuspruch. Ich konnte allem zustimmen, dass er von sich gab. Außer vielleicht dem Abtreten des Meerschweinchens an die Cousine, weil die Pubertierende in der Familie es nicht mehr cool fand, den Käfig von den rosinengroßen Stinkerlingen zu befreien. Sonst klang alles von ihm Entrümpelte durchaus entbehrlich. Absolut logisch nachvollziehbar und furchtbar einfach. Herrlich! Sich all des unnötigen Krams entledigen. Und zwar nicht nur Kleiderschrank, Keller und Speisekammer arrangieren, sondern Aufgaben delegieren, sich von Aktivitäten befreien und Gedanken ad acta legen. Platz schaffen für Neues. Raus mit dem alten Mist! Entflammt von diesem Gedanken und beschwingt von Prosecco und Adrenalin schritt ich zu nächtlicher Stunde heimwärts in mein neues Leben, nichts ahnend, dass ich gerade einen verspäteten guten Vorsatz gefasst hatte, tückisch getarnt im Innovationsmantel. Und da bin ich jetzt. Zwei Wochen später, eine Erfahrung reicher und - zumindest psychisch - ein paar Kilo leichter. War es noch verhältnismäßig einfach die neonorangen Sweatersünden aus den 80-ern großzügig der Caritas zu spenden, so gestaltet sich das Entrümpeln von Aufgaben schon als etwas kniffliger. Vertrauen wir doch darauf, automatisierte Prozesse oft gar nicht mehr zu hinterfragen. Die Notwendigkeit und die Sinnhaftigkeit anzuzweifeln, wäre allerdings ein apodiktisches Unterfangen, will frau bzw. man sich aufgeräumter fühlen. Denn die Kunst besteht nicht darin, diese längst überfälligen Hindernisse aus dem Weg zu kicken, sondern vielmehr, sie als solche zu enttarnen!

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Geschenke
...so kann das nicht weitergehen...oder doch?...
1. Jänner 2015

 

...so kann das nicht weitergehen...oder doch?...

24 Geschenke unterm Christbaum - für jedes der Kinder 8. Aus dem guten Vorsatz, dieses Mal aber wirklich weniger zu schenken, ist wieder nichts geworden. Schade eigentlich. Hätte sich doch das Geldbörserl ebenso gefreut wie die Augen der Kinder. Ist nämlich bei Mathilda folgendes passiert: Klein Gustav und wie sie alle heißen haben das Leuchten in den Augen. Jenes Leuchten, das verantwortlich ist dafür, dass wir das tun, was wir tun, zu Weihnachten. Nämlich Wochen zuvor schon hektisch in Amazon stöbern, hastig durch die Geschäfte brausen und in der Nacht zum 24. Dezember schusselig und wuselig 130 Geschenke in glitzerndes 100 % umweltfeindliches Papier zu wickeln. Nur wegen eben dieses Leuchtens. Und - ich glaube, da sind sich viele von uns einig - das ist es wert! Oder sagen wir, das wäre es wert. Denn was passiert, bleibt dieses Leuchten aus? Heilig Abend also. Drei Strophen von Stille Nacht werden im Angesicht von 5 Sternspritzern noch geduldig ertragen, dann beginnt das große Auspacken. Am Beginn noch gezähmt, in Anbetracht des Wer-ist-schneller-Syndroms wird nach dem dritten Packerl einfach nur mehr aufgerissen, was das Papier hält, begutachtet, ein wenig mit dem Präsent des Bruders geliebäugelt, wenn auch nicht ganz neidfrei. Zehn Minuten später ist alles vorbei. Ein Berg zerfetztes, nicht mehr als Weihnachtspapier erkennbares Irgendetwas, das augenblicklich in den Altpapiercontainer wandert, ein Haufen Spielzeug, vor deren Verstauung einem jetzt schon gruselt, und Kindergesichter, die alles andere als zufrieden scheinen. Da erfasst meine Freundin ein beklemmendes Gefühl. Statt die glücklichsten Momente des Jahres zu genießen, fühlt es sich an, als zerspringe ihr das Herz. Was macht sie also? Sie probiert zu retten, was zu retten ist. Fragt drei Mal, ob das Christkind brav gewesen wäre, was mit einem stoischen Kopfnicken kommentiert wird. Nimmt den Ältesten des Nachwuchses beiseite und löchert ihn damit, warum er nicht lächle. Meint eigentlich, warum er nicht im Begeisterungsrausch wonnetrunken durch das Wohnzimmer schwebe. Er meint, er wisse jetzt gar nicht, womit er beginnen solle zu spielen, sind es doch so viele neue Dinge, die sich hier türmen. Und darum fange er erst lieber gar nicht an, sondern würde sich jetzt gerne den Fernseher aufdrehen. Wumm. Das sitzt! Als hätte ihr jemand mit der Keule eins über die Rübe gezogen, torkelt die 3-fache Mama in die Küche und gönnt sich das dritte Glas Prosecco. Nach schlagartig geleertem Glas nimmt sie den Vater der mittlerweile vor Nintendo und Co. platzierten Sprösslinge auf die Seite und raunt ihm ein „so geht das nicht weiter…“ entgegen. Heilig Abend vergeht also und Mathilda ist um eine Erkenntnis reicher. Ähnlich erging es einer anderen Freundin, die neulich spät abends ähnliche Erleuchtung hatte. Der Mann musste am Nachmittag zum Dienst, und nach zwei Stunden Schneewanderung waren die beiden Nachkommen nicht, wie man vermuten möchte, ausgelaugt und froh im Warmen zu sein. Oh nein! Es wurde geraunzt und gemurrt, man wolle unbedingt ins Kino gehen. Man sei dort ja schon so lange nicht mehr gewesen und überhaupt ist es zu Hause schon so fad. Da hilft weder der gemeinsame Spieleabendvorschlag noch die Aussicht auf gebackenes Was auch immer, weil es, denkt man an den Kalorienkonsum der letzten Tage, eh schon wurscht ist. Nein, Nachwuchs will ins Kino. Basta! Was macht pflichtbewusste, oder wie sich in diesem Fall bald herausstellen wird, bescheuerte Mutter? Sie kratzt und kehrt das Auto ab - ist doch endlich Winter! - packt sich und die beiden grinsenden Knirpse in das Wärmste, das der Kasten zu bieten hat und begibt sich über drei spiegelglatte Kreisverkehre auf die Autobahn Richtung Kinocenter. Nicht ganz alleine mit dem Gedanken, wie sie spätestens bei Erreichen der mit vielen roten X gekennzeichneten Parkgaragen feststellen muss. Ok, Frau sucht also mit 200 anderen mehr oder weniger unlustigen Elternteilen Parkplatz, findet ihn, ergattert Karten - wenn auch nur mehr in der ersten Reihe - und Popcorn, sitzt dann endlich vollkommen verschwitzt im knallvollen Kinosaal und ihre Blase meldet, dass es unmöglich 93 Minuten ohne Entleerung auszuhalten sei. Sie verstaut also drei Daunenjacken, 5 Handschuhe - denn einer hat den Weg vom Parkplatz in den Kinosaal leider nicht geschafft - drei Hauben, zwei Getränke, eine überfüllte Tüte gepoppten Mais und begibt sich - wohlgemerkt von der ersten Reihe - noch einmal hinaus auf die Toilette. Drei Minuten später und zwei Kilo leichter schleicht sie dann mit hochrotem Kopf, den niemand dank des stockfinsteren Saals sieht, auf ihren Platz in vorderster Front, um sich auf beschwingte eineinhalb Stunden steifes Gnack zu freuen. Doch da ist schon das Lachen des Hosenmatz neben ihr zu hören, der das erste Mal in seinem noch so jungen Leben einen Kinosaal von Innen sieht und vergessen sind die Füße des Hintermannes im Kreuz, tragen sie doch dazu bei, dass nach diesen gefühlten 7 Stunden alle Lendenwirbel gleich hin sein werden. Dem kleinen Bären, der mit roten Hut nach London reist um dort ein neues zu Hause zu finden, wird wohlwollend zugeschmunzelt und beim Abspann am Schluss scheint alles fröhlich und eitle Wonne. Doch dann schaut sie in die Gesichter neben ihr. Der Kleinere maunzt, er wolle jetzt gleich noch die watschelnden Vögel vom zweitgrößten Inselstaat der Welt sehen und der Größere hat vor dem Kino Sushi entdeckt, und hätte auf nichts anderes Hunger als auf diesen rohen Fisch. Sei die Mutter doch immer Diejenige, die behaupte, das sei so gesund. Bei dem Gedanken, sich bei einem Lärmpegel von gefühlten 300 Dezibel, der im Vergleich dazu jeden Indoorspielplatz wie einen Friedhof erscheinen lässt, und einem quengelnden Fünfjährigen, der statt der Pinguine aus Madagaskar in 3D jetzt den rohen Fisch - vermutlich der Pinguine Freunde - essen soll, vergeht der bis dato noch lieben Mutter gehörig der Appetit, die Lust sowieso und eigentlich reißt ihr die Geduld. Sie packt also ziemlich grantig sich und ihre Nachkommen wieder in die vielen Daunenschichten, kämpft sich durch unglaubliche Menschenmassen und durch Windstärke 200 zum Auto, das natürlich wieder vereist ist. Habe ich schon erwähnt wie glücklich sie war, als es endlich zu schneien begann? Dramatischer Weise stolpert der Große dann noch über einen Eisbrocken, der ganz sicher aus reiner Boshaftigkeit vom Wettergott dort platziert wurde und kreischt los, als hätte er sich Knöchel, Knie und jegliche Bänder gebrochen, gerissen und verstaucht. Da ist es dann endgültig vorbei mit der Geduld der sonst ohnehin schon nicht sehr geduldigen Mutter. Eine Mischung aus Mitleid über das soeben aufgeschlagene Knie, aus - wie sie findet - absolut gerechtfertigtem Selbstmitleid, aus Groll darüber, so verrückt gewesen zu sein und am Sonntagabend bei Eis und Schnee, mit zwei übermüdeten Kindern, einen Kinobesuch auch nur anzudenken. Liegen doch zu Hause mindestens 3 DVDs herum, die nur darauf warten, das Innere eines DVD Players zu erkunden. Und auch die Festplatte des Receivers würde sich um einiges entspannter fühlen, wäre sie endlich von 30 gespeicherten Kinderfilmen befreit. Zu Hause angekommen, hat auch sie eine Erleuchtung und überfällt ihren Ehemann augenblicklich mit den Worten „so kann das nicht weitergehen…“. Was genau, kann so nicht weitergehen? Die Überflutung mit Geschenken, die visuelle und auditive Überreizung? Nein, eigentlich die Überreizung all unserer Sinne. Wenn Kinder keine Freude mehr zeigen können über ein Geschenk, einen Kinobesuch oder andere Kostbarkeiten, wenn man sie nur mehr im High Tech Vergnügungspark oder auf furchterregenden Wasserrutschen in überteuerten Aquaparks zum Staunen bringt, dann läuft irgendetwas falsch. Mathilda und Co. sitzen auf meinem Sofa und grübeln über Ursache und Wirkung von Luxus. Philosophieren nach einigen Gläsern prickelnden Alkohols über die Annehmlichkeiten in unserem Leben, die offenbar Freud und Leid zugleich bedeuten. Über selten lachende Kinderaugen, unzufriedene Gesichter und unglückliche Mamas. Dazu stopfen wir unsagbare Mengen von Lachsbrötchen und Neujahrskonfekt in uns hinein – weil es Angesicht der letzten Wochen eh schon wurscht ist. Die Hosen platzen, die Blusen spannen und beim Gehen stellt sich heraus, dass die Zipps der Winterstiefeln aufgrund der leicht angeschwollenen Fußerl nur halb geschlossen werden können. Frau schimpft wieder über den Winter, weil das Abkratzen der Windschutzscheibe in den Halbschuhen nur mäßig lustig ist, wir schauen uns ein letztes Mal in diesem Jahr in die Augen und stellen einstimmig fest: „So kann das nicht weitergehen!“ Prosit Neujahr! Da kommt mein Größerer schlaftrunken die Stiegen runtergeschlurft, ein Alptraum habe ihn geplagt. Wir setzen uns zu dieser sehr späten Stunde aufs - von den Popos der Freundinnen - noch vorgewärmte Sofa. Ich lege meine Beine auf den Tisch, er den Kopf in meinen Schoß und ich kraule ihm den Rücken. Er freue sich darauf, morgen das neue Spiel vom Christkind endlich auszuprobieren, war doch bis jetzt gar keine Zeit dafür. Ich schaue ihn an und erkenne alles zugleich: Zufriedenheit, Geborgenheit und Glück! So einfach ist das! Und so unsagbar gut tut das!

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Steinwand
...wer klopfet an?...
24. Dezember 2014

 

...wer klopfet an?...

Ich wollte sie wirklich schreiben, die super-kitschige, in Sentimentalität eingewickelte Weihnachtsgeschichte. Die noch nie dagewesene, auf deren Idee noch keiner gekommen ist. Und dann ist sie mir nicht eingefallen. Mein Hirn, das üblicherweise sprudelt wie ein High Tech Whirlpool, gleicht eher dem Neusiedler See am Allerheiligen Tag. Gähnende Stille. Alle zu Tränen rührenden Märchen wurden scheinbar schon erzählt. Haben einen elend langen Bart und entlocken mir den Gedanken „na, net schon wieder“. Gut, dann eben nicht. Nun sitz ich da, gefrustet über meine Blockade, und bin alles andere als in besinnlicher Adventstimmung. Wie, um Himmels Willen, soll ich da ein rührseliges G´schichterl zambringen? Da erschallt das ach so vertraute WhatsApp – Tönchen. Mathilda meldet sich zu Wort „Kann nicht zum jährlichen Weihnachtstreffen kommen – Mann mit toxischem Irgendwas im Krankenhaus.“ Augenblickliches Betätigen der Kurzwahltaste. „WAAAAAAAS?“ Ich meine, toxische Irgendwas-Krankheiten sind schlimm, natürlich! Mann bzw. Frau will das auf keinen Fall haben. Und ich habe großes Verständnis, Mitleid und überhaupt mit besagtem Göttergatten. Aber nicht auf unser allerheiligstes Adventensemble zu kommen, unser Potpourri aus Keksen, Punsch und Pizzaservice, das ist im Bereich des absolut Undenkbaren. Wobei noch dazu Mathilda, ein Urgestein an Verlässlichkeit, grundsätzlich nichts auslässt, dass mit f beginnt und mit -eiern aufhört. Doch das Telefonat lässt meine Prioritäten ein wenig verschwimmen, lässt ihn verblassen, den Abend zu Sechst. Ist sie nämlich viel mehr besorgt, das Weihnachtsfest für ihre vier Kinder (die wohlgemerkt alle mitsamt noch von der Existent des Christkindes überzeugt sind) nicht über die Bühne zu bringen. Gefeiert wird nämlich im idyllischen, üblicherweise zumindest weiß angezuckerten Landhaus, 200 km entfernt vom eher unidyllischen grauen Gründerzeithaus mitten im grauen Wien. Obwohl ich bei dieser Gelegenheit anmerken muss, dass ich als Ur-Wienerin diese Stadt außerordentlich liebe, egal ob blau, grau, gelb oder grün (keinesfalls politisch gemeint). Zum einen die Sorge um ihren Mann, zum anderen die Sorge über acht enttäuschte Kinderaugen lassen die sonst so starke Freundin zerbrechlich erscheinen und die Wichtigkeit eines geselligen Zusammenseins beinahe absurd. Es erinnert mich daran, dass es Menschen gibt, sehr kleine Menschen nämlich, die wochen- oder monatelang auf dieses Ereignis hin fiebern. Die vom Mysterium der Weihnacht gebannt sind. Warum ist die Christnacht um so vieles schöner als Geburtstag, Ostern und Nikolo zusammen? Weil es zelebriert wird von Millionen von Menschen zur gleichen Zeit, mit denselben glitzernden Kugeln am selben duftenden Baum, denselben unzählbaren Geschenken, die Erhofftes und Überraschendes zugleich bedeuten. Die für kleine Kinder besagen, dass es wirklich etwas gibt, das man nicht erklären, nicht angreifen, nicht benennen kann und für große Kinder, dass jemand sich Gedanken macht. Mathilda, die keinesfalls vier Sprösslinge und geschätzte 200 Packerl in ihren Kleinbus kriegt, ohne dass auch nur ein Kinderauge das glänzende Geschenkpapier, wenn auch getarnt in schwarzen Müllsäcken, entdeckt, braucht also Lösungen. Rasche, effiziente und positive Resultate. Ein Paketdienst wird alarmiert. Nun ist es aber durchaus schwierig am 23. Dezember ein Speditionsunternehmen zu akquirieren, das a) behutsam mit dem mindestens ein Kubikmeter großen Playmobil Puppenhaus umgeht, b) die 362-Teile Eisenbahn für Klein-Leopold nicht demoliert, hat Mathilda doch Stunden damit verbracht, die Einzelteile von den Drahtklammern zu befreien um sich ein ungeduldiges Kreischen unterm Weihnachtsbaum zu ersparen, weil der kleine Leo sich die Finger wund dreht beim Verpackungsbefreiungskampf, bei dem sich vermutlich Monate zuvor ein taiwanesisches nicht viel älteres Kind die Finger wund gedreht hat, beim Einpacken eben dieser Teile und c) der nicht ganz unerhebliche Umstand, dass der sonst sehr motivierte, am 23. Dezember allerdings schon ein bisschen der Pakete überdrüssige Botendienstfahrer ja eben nicht das Christkind ist, demnach auch nicht durch verschlossene Fenster einsteigen kann. Wohin also mit dem Spielzeugberg? Ein paar Hirne beginnen zu grübeln. Da findet sich ein Exfreund einer Infreundin, der am Wochenende immer in diese Gegend pilgert, ist es doch ein leichtes, ihm den Mini anzustopfen, den Schlüssel anzuvertrauen und ein gesegnetes Danke mit auf den Weg zu geben. Zum Glück gibt es die Ex, die in die Knecht Ruprecht Rolle schlüpfen. Der Baumaufputz ist ohnehin ein Familienritual, fällt also das Problem des geheimen Kaufens und Schleppens des drei Meter Ungetüms weg. Essen ist für Kinder Nebensache, am Heiligen Abend mehr Leid als Freud, sind doch die Schokoschirmchen meist um einiges attraktiver als das stundenlang vor sich hin brutzelnde Federvieh. Jetzt muss nur noch der Ehemann gesunden und das Fest scheint gerettet. Bleibt zu guter Letzt das Mathilda und Co. Ereignis. Nichts leichter als das. Mit Prosecco, Keksen und einer gehörigen Portion Weihnachtsfreude pilgern wir, statt in die üblicherweise für diese Events vorgesehene kinderfreie Wohnungszone, in die graue Gründerzeitbehausung von Mathilda, die dank der dort vor Vorfreude kaum zu bändigenden 4 Kinder alles andere als grau wirkt. Lebendiger und bunter als all die Jahre zuvor gestaltet sich dieses Treffen. Und obwohl wir vom Mädel Dasein so weit entfernt sind, wie die Frischmilch vom 12-Monate gereiften Appenzeller, hängen wir trotzdem noch kichernd über den Gummizeug Boxen und lästern über die Götter der Welt. Weihnachten ist eine Nuance spürbarer geworden. Ein wenig spannender und gefährdeter durch den simplen Umstand, es könnte in unserer durchgeplanten perfekten Welt zu einer Katastrophe kommen. Katastrophe, wohlgemerkt. Wenn uns so etwas aus der Bahn wirft, wie geht es dann den Menschen, die wahrhaft Missliches erleiden? Ein kurzes Innehalten zwischen zwei Gefechtsangriffen, ein kurzer Moment der Besinnlichkeit während der Bauch vor Hunger schreit? Wir – die Meister des Verdrängens und des Wegschauens – werden es wohl nicht erfahren. Nicht dieses Weihnachten und vermutlich auch nicht in den nächsten Jahren. Wie auch? Aber vielleicht reichen ja schon toxische Weiß-ich-nicht-was-Krankheiten eines guten Freundes aus, um uns das kurze Innehalten ein wenig greifbarer zu machen. Vielleicht relativiert sich die Wichtigkeit einer zu kleinen Parklücke, möglicherweise treten wir der frisch-dauergewellte Oma und der aufgmascherlten Mitzi-Tant samt keppelnden Poldi-Onkel ein wenig gelassener gegenüber, im Hinblick darauf, dass wir vermutlich selbst mal so sein werden. Vielleicht lässt uns der Umstand, dass ein paar Flugstunden entfernt ein Land nach einem unvorstellbaren Massaker die Todesstrafe wieder einführt, dankbar sein, für den Frieden den wir heute erleben dürfen. Die Sicherheit, die Harmonie ist ein Geschenk an uns alle, das wir dankbar annehmen und jede Minute genießen sollten. Samt Mitzi-Tant und Poldi-Onkel. In diesem Sinne: Schöne Weihnachten!

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Leeres Klassenzimmer
Der Nächste, bitte!
12. Dezember 2014

Der Nächste, bitte!

Letzte Woche war es wieder soweit. Einmal im Jahr – rein ins pure Elternsprechtagvergnügen. Eine Freude ist das jedes Jahr! Ganz dick, neonorange markiert auf unserem Familienkalender (den leider ich als Einzige im Familienbund wahrnehme), mahnt mich dieses Datum, leuchtet mir bedrohlich entgegen, als wüsste es ganz genau, was mir bevorstünde, bis es dann endlich soweit ist: Donnerstag 16 Uhr! Die Pforten der AHS öffnen sich und lassen ein. Nicht etwa, wie jeden Morgen, angeödete, schlurfende Jugendliche, nein, es sind deren nervös vor sich hin stelzenden Eltern, die heute gefragt sind. Über die alles erdenklich Gute und Schlechte ergossen wird, als wären sie ein Fass ohne Boden. Dabei ist es gerade in den paar Stunden von erheblicher Wichtigkeit, den Boden unter den Füssen nicht zu verlieren. Gut! Frau mir-kann-nichts-passieren macht sich also geschnäuzt und gekämmt, denn sie will ja einen guten Eindruck machen, voll motiviert um 15:15 auf den Weg. Ist es doch immer ratsam ein bisschen früher zu erscheinen, parkplatztechnisch und überhaupt. Schon bei eben dieser Suche nach einer passenden Lücke für mein Auto wundere ich mich, dass doch so viele LehrerInnen hier tätig sind. Blicke ich doch auf geschätzte 4000 Fahrzeuge. Nach 25 Minuten und nicht nach einkalkulierten 7 Minuten betrete ich also -immer noch gut gelaunt- um 15:40 das Schulgebäude und muss bedauerlicher Weise feststellen, dass die Millionen Automobile vor der Tür wohl doch nicht alle dem Lehrkörper gehören. Mit der Idee des Früher-Erscheinens nicht ganz alleine, finde ich mich inmitten von hektisch mit Zettel und Kugelschreiber bewaffneten -vorwiegend weiblichen- Kampfhyänen wieder, die „Wo sitzt die Gruber? Pospischil? Weninger? …“ quietschen! Ahja. Mein Gott, was haben die denn alle? Gibt’s da was gratis? In der Hoffnung, dass es so ist, eile ich zum ersten Tischchen an dem ich die obligaten Raika-Pappbecher entdecke und stelle fest, dass es die Aussicht auf Gratis Drinks nicht sein kann, die die Menschen zu derlei Nervosität verleitet. Muss ich doch für einen Filterkaffe 2 Euro zahlen, gebe gelassen -dummerweise BEVOR ich gekostet habe- 3 Euro, ist ja für die Schule. Nach dem geschmacklichen Genuss, der sich mir daraufhin offenbart, suche ich dringend nach einer Entsorgungsmöglichkeit des koffeinhaltigen Heißgetränkes und strafe den grinsenden Pubertierenden eines strengen Blickes. Was ihn zugebender Massen wenig irritiert, grinst er mich doch an, als hätte er das schon vorausgesehen. Ich stehe da und frage mich zugleich, was die alle für einen Papierwisch in der Hand haben, auf den sie ununterbrochen etwas kritzeln. Hm … ich erkundige mich bei einem vorbeihuschenden Viertklässler und erfahre, dass im Internet eine Liste mit allen LehrerInnen und deren Standorten am heutigen Sprechtag auszudrucken gewesen wäre. Aber -keine Panik- in der Aula hänge eben dieser Plan – sogar in A3. Von Panik weit entfernt, rede ich mir ein, dass er keineswegs damit meine ich könne A4 vielleicht nicht mehr so einfach lesen, muss aber beim ersten Blick auf den Aulazettel feststellen, dass A3 schon grenzwertig ist. Hab ich doch meine Brille, die ich seit einem Jahr mein Eigentum nenne, und die in den letzten Monaten leider immer öfter aus ihrem Etui gefischt werden musste, wohlweislich zu Hause gelassen. Kugelschreiber habe ich sowieso keinen mit, wozu bitte? Ich habe doch ein Gehirn und ein Smartphone. Ich suche mir also Namen und Klasse vom Klassenvorstand. Finde ihn! Kann ihn entziffern und begebe mich gut gelaunt in den 3. Stock. Keuchend finde ich eine Traube von Eltern vor, die sich, ein wenig überfordert damit, Jacke, Tasche, Papierwisch und Kuli zu halten, angeregt unterhält. Ich frage „Wer war der Letzte?“. Stille! Peinlich betretenes Schweigen in Kombination mit mitleidigen Blicken. Was habe ich getan? Ich versinke im Boden. Kurz bevor ich ganz entschwinde, erbarmt sich eine rundliche Dame, und zeigt mit ihrem Wisch in der Hand in Richtung Tür, wo ich einen weiteren Wisch erblicke. Mit einem Gesichtsteint ähnlich einem Stoppschild entschlüssele ich eine Spalte mit Uhrzeiten im 5-Minuten Abstand und eine weitere Spalte mit ganz vielen Namen. Jetzt erklärt sich auch der Kugelschreiber, denn mit dem Smartphone Pen schreibt es sich nicht so besonders auf Papier. Die Dame erkennt auch diese Notsituation und reicht mir wortlos ihren gelb-blauen „Erwin Pröll“ - Kugelschreiber. In diesem Moment hätte ich sogar ein Schreibgerät mit dem Plastikkopf von H. C. Strache freudig entgegengenommen, nur um mich (es war bereits 16:10) immerhin schon zu dem Termin um 18:15 einzutragen. So, jetzt wieder runter in die Aula zum A3 Wisch. Mathematik, 2. Stock. Selbes Procedere, nur nicht mehr ganz so peinlich, weiß ich doch jetzt immerhin schon, wie es funktioniert. Pospischil, also um 18:30. Perfekt getimt – mit zehn Minuten Puffer. Wieder zu meinem mittlerweile lieb gewonnen Aulazetterl. Biologie, Geographie und wie sie alle heißen. Da ich immer nur fähig bin, mir einen Namen mit zugehöriger Klasse zu merken, maximal zwei, laufe ich mehr im Stiegenhaus herum, als alle anderen. Was man mir leider auch bald ansieht. Ein kurzer Abstecher auf die Toilette, denn das Koffeingeschmackserlebnis zeigt seine Wirkung, bestätigt mir Selbiges, ist aber leider nicht zu ändern. Gut, ich habe mich jetzt also für sieben Lehrer eingetragen, bin ein wenig stolz darauf, diese Hürde physisch geschafft zu haben, muss allerdings feststellen, dass ich mir nicht mehr ganz gemerkt habe, wann ich wo zu sein habe. Also grase ich noch einmal alles ab, diesmal mit dem Smartphone gerüstet und trage mir die Zeiten und Klassen ein. Platziere mich nach dem Stiegenmarathon vor der ersten Türe und warte. Kriege sogar mit, dass man sich beim Verlassen des Klassenzimmers aus der Liste streicht, damit die Wartenden einen Überblick darüber haben, wann sie drankommen. Ein Blick genügt und ich weiß, mein so präzise ausgetüfteltes Vorhaben beißt sich gerade selbst in den Hintern! Es ist 16:35 und gerade mal der 16:20 Termin drinnen. Das bringt meine gesamte Planung durcheinander. Also schnell zu den anderen Türen - Kugelschreiber ausborgen - rausstreichen und eine Stunde später wieder einschreiben. An diesem Nachmittag muss ich mehr rechnen, als bei meiner Mathematura. Doch nach zwei Stunden habe ich immerhin 3 LehrerInnen absolviert. Was genau sie mir erzählt haben, weiß ich nicht mehr, war ich doch so glücklich, endlich in ein Klassenzimmer schreiten zu dürfen, endlich über diese Schwelle treten zu dürfen, dass ich nur mehr ein „passt eh alles…“ in Erinnerung habe. Es ist jetzt beinahe 18:45 und ich schlurfe in Richtung Deutschtüre. Um festzustellen, dass der Termin nach mir gerade drinnen ist. Eine Lehrerin ohne Verzögerung. Was soll das? Kann die sich an keine Regeln halten? Leicht sauer verleihe ich meiner Stimmung Ausdruck, wobei mir ein mitteilungsbedürftiger Vater zu verstehen gibt, ich möge mich gefälligst am Ende der Liste wieder eintragen, bringe ich sonst alles durcheinander. Kurz überlegend, ob es wert ist, sich aufzupudeln und diesem Herrn mit meinem Allerwertesten ins Gesicht zu fahren, gebe ich mich resignierend geschlagen und trage mich um 19:40 ein. Weils eh schon wurscht ist, und es außerdem leicht sein könnte, dass besagter Gentleman der Vater vom Sitznachbarn meines Sohnes ist. Kommt ja dann nicht so gut, wenn ich als hysterische Zicke in die Klassengeschichte eingehe. Zeit genug, schleppe ich mich ein wenig durchs Gebäude, bestaune Projekte aus Textilem und Technischem Werken, stelle fest, dass ich eindeutig ein Mädi bin, oder zumindest mal war, und mit dem Quilt (dem pastellfarbenen Zierdeckchen) mehr anfangen kann als mit dem Falzbein aus Birnenholz (was auch immer das sein mag) und komme an einer Tür vorbei, die offensteht. Ich erhasche einen Blick auf einen jungen Mann, der über ein Tablet gebeugt alleine in einem Klassenzimmer sitzt. Was für eine Augenweide - und damit meine ich nicht nur ein leeres Klassenzimmer ohne gelangweilte Eltern davor. Und weil ich schon lange nicht mehr mein Aulazetterl besucht habe, eile ich hinunter, suche die Klasse und lese daneben Frank - Bewegung und Sport Knaben. Nichts wie hin! Beeindruckt von meinem zwei Stufen auf einmal nehmenden Erklimmen der mittlerweile mir wohl bekannten Treppe, betrete ich das vereinsamte Klassenzimmer. Ein Blick, ein Lächeln und es geht mir augenblicklich besser. Dann ein ausgedehntes Gespräch über meinen Sohn, Sport an sich, dem pädagogischen Ansatz, meiner sportlichen Hochleistung der letzten beiden Stunden und der Skurrilität eines Elternsprechtags. Abgesehen von den optischen Genüssen, die sich da meinen Guckern offenbaren, ist auch das Gespräch, da viel Zeit und fortgeschrittene Stunde, sehr amüsant und anregend. Nach 20! Minuten verlasse ich, wieder ein wenig enthusiasmiert, den Testosteron Raum und gehe in Richtung Deutschzimmer. Lächle den mürrischen Vater an, der vorher nur knapp einem Tobsuchtsanfall meinerseits entronnen ist und entlocke ihm nach einem skeptischen Blick dann doch noch ein Schmunzeln. Absolviere um 19:56 Deutsch mit einem „passt eh alles…“ und verlasse um 20:01 das Gebäude. Fünf LehrerInnen in vier Stunden. Trotz des Mangels an Vergleichsmöglichkeiten behaupte ich, das ist nicht besonders gut. Am nächsten Morgen will mein Sohn wissen, was denn die Lehrer so gesagt hätten und ich antworte ihm, von Muskelkater gepeinigt, ich werde das bei Gelegenheit in den Sprechstunden erfahren. Tja, das war 2013. Vor genau einem Jahr. Mein erster Elternsprechtag in einer AHS. Der 2014-er lässt sich in kurze und sehr stolze Worte fassen: Aulawisch in A4 ausgedruckt (doppelt, sicherheitshalber), 2 Kugelschreiber (doppelt, sicherheitshalber), Betreten des Gebäudes um 15:20, Verlassen des Gebäudes um 18:10. Anzahl der absolvierten Gespräche: 9!!! Das ist gut! Beim Rausgehen habe ich noch die A3 Ausfertigung fotografiert. Nur so, aus Sentimentalität. Und jedes Mal, wenn mein Großer beim Mittagessen erzählt, heute wären sie schon wieder mit dem Frank bei der Hitze, ohne T-Shirt, schwitzend und keuchend, 4 Kilometer gelaufen, denke ich an den Elternsprechtag vor einem Jahr und schlürfe mein Süppchen noch ein wenig glückseliger.

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Illustriert High Heels
...rote Schuhe für ALLE!...
8. Dezember 2014

 

...rote Schuhe für ALLE!...

Man muss wahrlich kein Musicalliebhaber sein, um sich von der neuen Volksopernproduktion einlullen zu lassen. Nur bereit, ein bisschen zu träumen, ein wenig an das Gute zu glauben … gerade im Advent. Gutes Timing! Nun ist, zugegebenermaßen, nicht nur das Geschehen auf der Bühne für meine Rührung verantwortlich. Mein Fünfjähriger, der es geschafft hat, 146 Minuten (ohne Applaus und ohne Pause) auf seinen vier Buchstaben zu sitzen und mit weit aufgerissenen Äuglein die Taten auf der Bühne zu verfolgen, ist ebenso Schuld an meinem sentimentalen Getue. Mit Tränen der Begeisterung kann ich nur sagen: schön war´s! Als gestern die Hexe verschwand, auf Nimmer-Wiedersehen im Wirrwarr der Unterbühne. Und als Dank für ihre großartige Leistung (eigentlich seine – denn es handelt sich um einen Hexerich) beim finalen Applaus ausgebuht wurde, fast so wie Rosine Leckermaul – alias die böse Hexe aus Hänsel und Gretel. Und er freut sich. Spornt sogar noch mit diabolischem Gelächter zu noch mehr Buhrufen an. Denn die größte Anerkennung findet sich in Hexenrollen bekanntlich am Grad der Ablehnung, die einem im besten Fall nach getaner böser Tat praktisch von der Bühne fegt. Alle wollen das Dämonische zerstört, das Gute siegend sehen. Und die Rechnung geht auf! Tosender Beifall für ein fantastisches Zusammenspiel von Bühnenbild, Kostümen und Regie. Hexen, Löwe, Vogelscheuche und Co. verzaubern Jung und Alt. Kinder verleihen einer Theateratmosphäre immer ein bisschen etwas Märchenhaftes. Etwas Unwirkliches, Fiktives. Sie versinken in eine Art Traumzustand und lassen sich vollkommen auf das Bühnengeschehen ein. Das ist wunderschön zu beobachten. Sie rutschen auf ihren Sesseln hin und her, als der Wirbelsturm Schaukelstuhl, Ruderboot und sogar eine Kuh durch die Lüfte wirbelt. Sie zucken impulsiv zusammen, als die grüne Hexe explosionsartig an den für Kinderaugen unvorstellbarsten Winkeln der Bühne erscheint. Mal hinten, mal vorne, mal oben und am Schluss eben unten. Sie interessieren sich nicht für die Technik, die dahintersteckt. Die Seile, die vom Schnürboden hängen, werden aus dem Blickfeld verbannt. Die Hexe kann fliegen und somit fliegt sie! Wie sie das macht ist powidl! Die unzähligen Blitzumzüge auf der Hinterbühne, wenn sich binnen Sekunden Riesenwanzen in geflügelte Affen verwandeln, Großmütter in Apfelbäume, dies alles wird von Kindern nicht wahrgenommen. Was zählt ist das Hier und Jetzt. Die Magie des Augenblicks. Warum fasziniert das Märchen von den Roten Schuhen immer noch? Nach mehr als 100 Jahren. Ein viele Jahrzehnte lang polarisierender Stoff der Literatur bringt im 21. Jahrhundert immer noch Menschen zum Schmunzeln. Das junge Mädchen aus Kansas, das sich in eine Welt hinter dem Regenbogen träumt. Die Menschen, die sie liebt, erscheinen ihr als skurrile Persönlichkeiten, von der Hexe bis zum Zauberer, von der Vogelscheuche bis zum Blechmann … alles da! Ähnlich wie im wahren Leben. Nicht selten erscheinen uns bekannte Gesichter mit bizarren Eigenschaften in Träumen. Vollkommen unfähig sie zu deuten, setzen wir sie dann in irgendeiner Ecke des Unterbewusstseins ab, in der Hoffnung sie im negativen Fall nie wieder auszugraben und im positiven Fall vielleicht wieder einmal von ihnen zu träumen. Doch dann tauchen die Roten Schuhe an des Mädchens Füßen auf und sie wird zur Heldin. Bringt jedem das, was er sich wünscht. Dem Löwen den Mut, dem Blechmann das Herz und der Vogelscheuche Verstand. Was für eine Welt. Am Ende die große Erkenntnis: nicht die Roten Schuhe, sondern der Glaube an uns selbst bringt uns all das, was wir uns erträumen und der Heroine auf der Bühne endlich den Weg nach Hause. In einem Kinderbuch meiner Buben gibt es eine Geschichte: Mimaus und die Mutmachpuppe. Eine fantastische Erzählung mit eigentlich dem gleichen Inhalt wie das gestrige Musical. Meine Jungs lieben dieses Phänomen. Dass einem irgendetwas helfen kann, seine Scheu zu überwinden. Wer wünscht sie sich nicht – die Roten Schuhe oder die Mutmachpuppe! Die einem das Leben ein wenig leichter machen. Die einem das Gefühl geben, dass am Ende Alles gut wird. Dass jede Hürde, scheint sie auch noch so unüberwindbar, zu meistern ist. Vielleicht finden wir sie! Irgendwo unter den Hausschlapferln, den ausgewinterten Moon Boots, den Flip Flops, den High Heels, Sandaletten, Sneakers … irgendwo darunter, gleich über den nackten Zecherln sind sie, die Roten Latschen. Ich sehe sie nicht immer. Oft sind sie unter meterdicken Wollstutzen vergraben, manchmal leuchten sie über den ganzen Planeten. Mal sind sie hellrot, fast schon durchsichtig, mal in einem kräftigen, gewaltigen Dunkelrot. Und auch wenn wir sie nicht immer sehen können, so sind sie doch immer da! Wir müssen nur daran glauben … wie im Märchen … wie in „The Wonderful Wizard of Oz“.

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Gebackene Kekse
...rein in die Stieferl...
29. November 2014

 

...rein in die Stieferl...

Jetzt habe ich mich aber beeilt! Zum einen: weil in zwei Wochen -nach dem 800-sten Christkindlschmäh- absolut niemand mehr eine satirische Kolumne über Weihnachten lesen mag und zum anderen: weil ich eben noch NICHT in weihnachtlicher Hochstimmung bin, sentimental, melancholisch, voller Vorfreude… …doch heute -VOR dem 1. Advent- darf ich noch mal ein bisserl scharfzüngig sein… …in zwei Wochen folgt dann der obligatorische Appell an die Nächstenliebe verpackt in eine zuckerlrosa Weihnachtsgeschichte. Also: der Dezember! Folgt dem tristen November und ist und bleibt einer meiner absoluten Lieblingsmonate. Die Tage sind kurz, die Nächte hell erleuchtet, Daunenjacken und Winterstiefel erblicken wieder das Licht der Welt, ich bin, wie jedes Jahr, bemüht mir am Eislaufplatz nicht die Hüfte zu brechen und die auditiven und olfaktorischen Sinne -Weihnachtsgedudel und Zimtgeruch- kommen voll auf ihre Rechnung. Dies alles trägt dazu bei, dass ich ihn wirklich mag, den Dezember. Die Frage ist: wie lange noch? Denn er ist von starker Konkurrenz bedroht. Macht ihm doch der eher poesielose, fade und von gesellschaftlicher Relevanz weitestgehend verschont gebliebene November den ersten Platz streitig. Der Grund dafür liegt an ein paar Kleinigkeiten, die, seit ich mich erwachsen und noch dazu Mutter zweier prächtiger Buben nennen darf, hartnäckig versuchen, mir und den Meinen das Leben im letzten Monat des Jahres schwer zu machen. Und zwar unter dem Deckmantel der Geselligkeit und des freudigen Miteinander schleicht sich ganz behutsam, auf leisen Email-Sohlen, sicher aber doch die Zeit der WEIHNACHTSFESTE ein – und trifft mich jedes Jahr aufs Neue, wie ein Keulenschlag, unbarmherzig auf mein Hinterhaupt. Fakt ist: der Terminkalender ist voll, die Energie bald leer. Egal wohin man sieht: ein Punschvergnügen jagt das andere. Ja, man könnte meinen, die Welt würde sich aufhören zu drehen und statt der Geburt Christi die Apokalypse Wirklichkeit werden, würde man nicht mit jedem seiner Freunde, Verwandten, Bekannten, quasi mit allen, die man öfter als einmal im Leben gesehen hat, einen Glühweinstand aufsuchen. Sich dann zähneklappernd, eingemummt in Haube und Schal um ein pickertes Stehtischerl postieren, um sich -wie jedes Jahr- auch heuer wieder ein besinnliches Fest zu wünschen. Man kann diese vergnügliche Stehtischrunde aber nicht so einfach verlassen, findet man zum einen in keiner noch so düsteren Hütte in der Nähe diversester Weihnachtsmärkte auch nur einen einzigen Sitzplatz, ist es für frau zum anderen unmöglich nach 2-stündigem Tragen einer Wollmütze die zusammengeprackte Haarpracht der Öffentlichkeit zuzumuten. Hauberl weglassen ist ebenfalls ausgeschlossen, a) wegen der Kälte b) wegen des besinnlichen Gute-Laune-Gedudels, das dank der dicken Wollstärke nur noch gedämpft auf die Lauscher trifft. Gut. Nein, eigentlich nicht gut. Aber eben Dezember! Kekserl da und Kekserl dort, und zum gefühlten 687-sten mal „Dir auch! Frohe Weihnachten und schöne Feiertage“. Vielleicht brauchen wir Menschen immer wieder einen gesellschaftlichen Höhepunkt, ein zusammenschweißendes Ereignis, das unsere soziale Ader weckt. Irgendwas, das möglichst viele Menschen zur gleichen Zeit erleben. Da bieten sich die kirchlichen Feste natürlich an. Egal ob man das Innere eines Gotteshauses das letzte Mal beim Begräbnis der Urstrumpftant betreten hat, in der nahenden Weihnachtszeit wird gesungen, die Weihnachtsgeschichte erzählt und, zumindest einmal im Jahr, ein bisserl „geglaubt“. Ich hege ja den Verdacht, dass Gott sich dieses Datum ausgesucht hat, um uns aus unseren vier Wänden zu holen. Sonst würden wir zu Hause doch versumpern. Jeder für sich und ganz alleine. In einer Jahreszeit, wo es schon eines pädagogischen Berufs bedarf, um das Tageslicht zu sehen, würde sich niemand ohne Grund auf die Straße stellen und ein verzuckertes, mit Alkohol angereichertes Teewasser schlürfen. Also gibt es Weihnachten und damit ein Riesen-Tam-Tam! Gott sei Dank. In den letzten Jahren fiel mir immer wieder auf, dass Kinder das ganze Weihnachtsgewünsche vollkommen entspannt sehen. Die hauchen dem besten Freund genau das gleiche „ciao“ entgegen, als würden sie sich morgen früh in gewohnter Unfrische wieder sehen und nicht für 2 Wochen in die Katakomben der verschneiten Urlaubsidylle entschwinden. Wir Erwachsenen machen so ein Pipapo. Und das ja angeblich nur für die Kinder? Apropos Kinder. Das Kindergartenweihnachtsfest ist für Zwerg und mich jedes Jahr ein Höhepunkt. Die großen Augen der kleinen Menschen sind jede Mühe wert. Dann wäre da noch das Schulweihnachtsfest. Mit viel Glühwein für die Erwachsenen und wenig Unterhaltung für die Kinder wird das gesellige Miteinander gefeiert. Und zwar völlig wurscht, ob es im vergangenen Jahr jemals gesellig war oder nicht. Ob man allein im letzten Monat beinahe sechs Mal aus dem Auto gesprungen wäre, weil der Papa vom Luis im Firmen SUV wieder mal abbiegt, wo man nicht abbiegen darf und damit alle anderen brav in der Schlange wartenden Linksabbieger an den morgendlichen Siedepunkt ihrer Geduld bringt. Oder ärgere nur ich mich? Vielleicht sollte ich ihn nach dem 4-ten Punsch -bevor ich ihm ein schönes Fest wünsche- mal fragen, ob er irgendwo angrennt ist? Da wird umarmt, Bussi links und Bussi rechts, selbstgebackene Keksi übergeben, die obligaten Kerzen vom letzten Jahr weiterverschenkt und ganz automatisch vom SIE ins DU übergegangen. Sitzen wir doch alle im gleichen Schul-Boot. Doch der Dezember ist noch lange nicht zu Ende. Denn auf dem liebevoll mit Fotos drapierten Familienkalender sieht man vor lauter Terminen das jeweilige Datum nicht mehr. Musikschulweihnachtsfest, Theatergruppenweihnachtsfest, Basketballweihnachtsfest … Allein beim Schreiben dieser Wörter verkrampfen sich meine Finger. Denn die Einladungen zu diesen an Spannung und Spaß nicht zu übertreffenden Events bedeuten ja nicht nur, dass man dort hingehen, sondern natürlich auch etwas mitbringen sollte. Mit „etwas“ meine ich nicht etwa einen Glögg vom schwedischen Möbelhaus oder ein schnellgekauftes Marmortorterl vom Biobäcker. Keine Chance! Da muss schon die obligate selbstgemachte Bananenschnitte mit Marzipan-Engerl oder zumindest der liebevoll zubereitete Blechkuchen mit Rum-Aroma und Zuckerguss-Hirsch her – schmeckt ja ganz anders! Dass man sich natürlich in die Liste der „Helfenden Hände“ beim Fest einträgt, versteht sich von selbst. Was zur Folge hat, dass man gleichzeitig die Oma beauftragen muss, sich ebenfalls bei gemessenen minus 3, gefühlten minus 25 Grad diesem bezaubernden Ereignis auszusetzen, denn man braucht ja schließlich jemanden, der mit dem eigenen Nachwuchs die Lebkuchensterne verziert, während man selbst hinter dem Buffet schwitzend für die selbstmitgebrachte Bananenschnitte 3 Euro löhnt, nicht einmal einen Flügel des Marzipan-Engerls ergatternd. Den Punsch brauche ich dann jedes Jahr wie die Maus ihren Käse, weil mir obligate Süßspeise vom umweltfreundlichen Papptellerchen runterrutscht und mir meinen neuen Rauhlederstiefel versaut. Dass man natürlich im Vorfeld schon mitgeholfen hat, die Lebkuchensterne, -herzen, -bäume, -elche und -stiefel zu backen versteht sich von selbst - es ist einem am Abend (so gegen 23 Uhr) ja vielleicht ohnehin ein bisserl fad - eh klar! Und natürlich, aber gerne doch, hilft man beim Aufbau der Zelte, Heurigentische und -bänke, beim Entknoten der Weihnachtsbeleuchtung, beim Wegschmeißen und neu kaufen eben dieser, beim Ausdrucken der Punsch- und Glühweinpreise und natürlich auch wieder beim Abbau (meist schon zu sehr später Stunde - was aber zugegebenermaßen durch das mitternächtliche Auslöffeln der Punschkocher leichter fällt). Das heißt im Klartext, wenn man sich ein bisserl engagiert, dann braucht man mindestens einen Urlaubstag für eines dieser Events. Will man bzw. frau nicht mit Augenringen bis zum Kinn hängend am darauffolgenden Morgen ihre Umwelt verscheuchen, am besten noch einen zweiten dazu. Nun wird es aber in beruflichen Belangen gegen Jahresende meist auch ein wenig hektischer, was frau spätestens Mitte Dezember in einen ermüdenden Ausnahmezustand versetzt. Da müssen wir dann wohl auch damit leben, dass einem die Mütter und Väter anderer Kinder keines Blickes mehr würdigen, weil man es nicht einmal geschafft hat, einen lächerlichen Blechkuchen zu backen - wenn schon keine Bananenschnitte drin ist! Dabei ist doch wohl das Datum seit einem Jahr bekannt. Es scheitert nicht am Zeitpunkt der Datumsbekanntgabe, es scheitert am Datum selbst! Würde vielleicht einmal einer dieser FreihzeitbeschäftigungstherapeutInnen meiner Kinder das Weihnachtsfest in den Jänner verlegen, würde er von mir mit Kuchen förmlich überschüttet werden. Jedes Jahr hege ich diese Hoffnung und jedes Jahr schwindet die Zuversicht ein wenig mehr. Ahja, gerade übergibt mir mein Sohn die Einladung für das Töpferweihnachtsfest. Vielleicht töpfere ich ja mal ein Bananenschnitterl, das kann ich dann immer wieder überall hin mitnehmen. Das Engerl kleistere ich aus Pappmaschee und mein Rauhlederstieferl freut sich auch. Achja, wenn übrigens wer Punschen gehen möchte, ich bin natürlich dabei!

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Junge Fußballspieler
...Wuchtelidylle...
20. November 2014

 

...Wuchtelidylle...

Zugegeben – diese Zeilen sind nicht mehr ganz frisch, aber aufgrund der dienstägigen Brasilien-Sensation top aktuell. Bereits vor einigen Monaten, im Zuge der letzten Fußball-WM, meinem Hirn entsprungen, feiern sie jetzt quasi ein Revival. Und weil ich nicht weiß, ob es mich bei der nächsten Weltmeisterschaft als Bloggerin noch geben wird, sicherheitshalber, hier eine Co-Produktion vom Österreich-Brasilien-Spektakel und der WM 2014… …wenn 22 wohlgeformte, durchtrainierte, meist haarlose, verschwitzte oder, wie im vorgestrigen Fall, vom Regen durchnässte Männerkörper einer Lederwuchtel hinterherjagen, wenn sie angetrieben von unermesslichem Ehrgeiz -und der Aussicht auf ein bisserl Kohle- Kopf und Kragen, meist auch andere Körperteile, riskieren, dann sitze auch ich wohlwollend vorm Fernseher und lasse mich begeistern. Ist ihnen schon aufgefallen, dass seit der Weltmeisterschaft die mauerbildenden Kicker dem Freistoß nur mehr bedingt mit Handerl aufs beste Stück entgegentreten? Da gibt es wohl zusätzlich zum Rasierschaum des Schiedsrichters, eine neue Errungenschaft, so etwas wie einen Hartplastik- oder Alupanzer für die wertvollen Teile. Vielleicht hat TupperWare eine Marktlücke entdeckt. Und statt des Brotmaxs – der großen Brotdose - gibt´s jetzt den WM-Max zum Schutz des Strammen Maxs. Ich werde mal beizeiten meinen Nachbarn fragen. Der ist sehr bewandert in solchen Dingen. Fußball, meine ich. Nicht Suspensorien. Zurück zum Match. Wie gesagt, ich fiebere mit. Nicht gerade wenn Bruck an der Leitha gegen Gänserndorf spielt, sehr wohl aber wenn riesige Fußballnationen aufeinandertreffen. Oder eben, wie im aktuellen Fall: das Heimatland. Das hat schon was. Sie machen das ja auch wirklich gut – die Fußballjungs. Und damit meine ich nicht nur Fußballspielen. Sondern das ganze Drumherum. Beim Einmarsch hat man das Gefühl, die Show kann beginnen. Angespannte, erbarmungslose Mienen, Cornetto-Körper (zumindest ein paar) und zum Ausgleich das zuckersüße Kind an der Hand. Dann die ernsten, vor Patriotismus fast platzenden Gesichter beim Spielen der Landeshymne. Die Tribüne wird zum rot-weiß-roten Fanteppich und es wird einem trotz der nicht enden wollenden österreichischen Nationalhymne warm ums Herz. Bilde ich mir das nur ein, oder wirkt unsere Hymne nur im Vergleich zu nahezu allen anderen Landes-Lobgesängen ein bisserl fad? Der Kabarettist Herbert Steinböck meinte: bis sich unsere Spieler von der Tristesse unsere Hymne erholt haben, steht es schon 3:0 für den Gegner. Vielleicht ist das eines der Koller´schen Geheimnisse. Vielleicht gibt er seinen Kickern in der Kabine noch den Tipp, sich Shakira bauchfrei vorzustellen, während sie „Land der Töchter…“ singen. Wir werden es wohl nie erfahren. Dann der Anpfiff. Dynamik, Energie, Ehrgeiz, Spannung, Entschlossenheit. Bald die dramatische 10-Meter-auf-den-Knien-rutschende, beide Hände vors Gesicht haltende Geste, wenn die Kugel nur knapp das Tor verfehlt. Eine mir unbegreifliche Abnormität des menschlichen Körpers. Würde ich das auch nur einmal versuchen, mein Orthopäde hätte eine wahre Freud´ beim Einsetzen der Knieprothesen. Dann das Tor des Feindes. Reines Glück, höre ich da, na geeh… höre ich dort. Die Stimmung begibt sich vom Dachboden in das obere Stockwerk – immer noch sehr weit vom Keller entfernt. Dann geht´s schnell. Foul, Elfer, Tor! Ein Tor für uns! Dass ich das noch erleben darf. Im Mai der Song Contest und im November ein Tor gegen Brasilien. Hallo! Wir sprechen von Brasilien. Der Lauf zum Publikum, der Zeigefinderkuppen-küssende und Arme-seitlich-wegstreckende erneute Knierutscher. Das Publikum springt auf, ein Grölen geht durch die Masse und selbst ich stelle unter Beweis, dass mein wertes Hinterteil noch nicht am Sofa angewachsen ist. Meine drei Männer (5,10 und irgendwas über 40), die mit mir den Haushalt teilen (wobei ich bei dieser Formulierung bitter schmunzeln muss), kleben ohnehin am Bildschirm, mit geröteten Wangen, nacktem Oberkörper (zum einen wegen der angestauten Adrenalin-Hitze in unserem Wohnzimmer, zum anderen wegen des „Männersports“) sabbernd und enthusiasmiert, als würden sie selbst dem Ball nacheilen. Mein Kleinster will jetzt doch nicht mehr Bauarbeiter werden (ich möchte gar nicht wissen, woher er das hat), sondern natürlich Fußballwunder. Der Größere vergisst für ein paar Augenblicke, dass er eigentlich cool ist und hopst wie ein aufgescheuchtes Händl im Kreis. Und schön ist das! Ja, ehrlich. Ich genieße diese Fußballstunden außerordentlich. Eine gehörige Portion Familienidylle, die sich da in unserem Heim ausdehnt. Das schaffen wir normalerweise nur bei Monopoly-Schlachten. Da wird gejubelt, über Fehlentscheidungen diskutiert, gewertet, gestritten und –wie bereits erwähnt- g´scheitelt. Der 5-jährige hat im Übrigen „Abseits“ als neues Lieblingswort auserkoren und benennt jedes Tor, das sein sehr geduldiger Bruder im Anschluss an das Fernsehspektakel im Garten –oder im Wohnzimmer - schießt, als ebensolches. Da kann ihm sein Gegenüber noch so oft erklären, dass die Abseitsregel bei einem 2-Mann-Spiel nicht sehr oft zur Anwendung kommt. Der Bub über 40 ist im wahrsten Sinne des Wortes wonnetrunken, weil er schon um 18:30 den Beertender in Betrieb nehmen darf, und ich bin spätestens beim Leiberltausch der Spieler ebenfalls beglückt. Was für eine Fußball-Fernseh-Familienidylle!

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Handschatten
...die ung´sunde Watsch´n...
15. November2014

...die ung´sunde Watsch´n...

Gestern früh habe ich meine erste Watsch´n kassiert. Und zwar als ich den Kurier aus dem taunassen Postkasterl fischte und meine Augen „Watschen für Kinder – jeder Dritte hält sie noch für richtig“ lesen musste. Wie bitte? Es muss sich um einen Druckfehler handeln. Politik und Wirtschaft werden überblättert, Seite 23 aufgeschlagen und in geschätzter Schriftgröße 1250 die Worte „Jedes zweite Kind wird geschlagen“ vernommen. Nun halte ich den Kurier für ein seriöses Blatt, nicht vorzustellen was die Gratisblätter und einige nicht-gratis Blätter unseres Landes mit dieser Statistik anzufangen wüssten, würde allerdings voraussetzen, sie könnten eine solche Studie auch deuten. Aber zurück zu den Tatsachen. Ich fasse den Artikel kurz zusammen: grundsätzlich wird zwischen physischer und psychischer Gewalt unterschieden. Befragt wurden drei Altersgruppen (15-29; 30-39; und über 50). Ich hätte gerne im Bundesministerium für Familien und Jugend nachgefragt, warum in dieser Studie die Altersgruppe der 40 bis 49-jährigen unter den Befragten fehlt. Aber das Bürgerservice des BMFJ ist von Montag bis Donnerstag von 9 bis 15 erreichbar. Ah eh! Das heißt, die Warteschleife ist erreichbar – aber immerhin! Ich werde dieses nicht ganz unwichtige Detail aber gerne nachkommentieren, falls die Warteschleife am Montag mir gnädig ist. Ich nehme aber an, es handelt sich um einen Druckfehler und es sind die über 40-jährigen gemeint. Also, die Studie besagt: Jeder zweite Jugendliche erlebte eine oder beide Formen von Gewalt als Erziehungsmaßnahme, 20% gaben an, schon heftige Ohrfeigen bekommen zu haben und mit Ohren-Ziehen oder Haare-Reißen getadelt worden zu sein. Damit ist kein Klaps gemeint und auch kein Schlagen mit der Hand – dies sind die beiden harmloseren Formen. Nach der eben beschriebenen 3. Form der physischen Gewaltanwendung kommt nur mehr das Prügeln mit Gegenständen, wo immerhin noch 7% der Jugendlichen angeben, auch das schon erlebt zu haben. Dass „g´sunde Watschen“ nicht schaden können und oft zu besseren Resultaten führen als Worte, finden über 30% der ÖsterreicherInnen. Immerhin haben Ende der Siebzigerjahre noch 77% der Eltern ohne schlechtes Gewissen ihren Nachwuchs geohrfeigt. Na dann, sind wir doch eh auf dem richtigen Weg. Alleine das Wortpaar „G´sunde Watsch´n“, das sich selbst ad absurdum führt, weil doch bitte Gewalt niemals gesund sein kann, ist zum Schreien! Jeder Dritte unter uns, jeder Dritte wahlberechtigte Staatsbürger, ist wirklich der Meinung, dass man einer Person, die halb so groß und einen Bruchteil dessen wiegt als man selbst, einem Menschen, den man über alles liebt, Gutes tut, indem man ihn schlägt? Ich kann das nicht glauben. Ich weigere mich, das zu glauben. Erschreckend ist diese Tatsache, dass offenbar geohrfeigt wird, was das Zeug hält, aber noch viel erschreckender, um ein Vielfaches besorgniserregender ist das Faktum, das man bzw. frau das gut findet. Nun bin auch ich Mutter, und wahrlich weit davon entfernt, eine sogenannte Übermutter zu sein. Ich bin weder eine Waldorf- noch Montessori-Verfechterin, und kaufe nicht jeden neuen pädagogischen Schmöker, der unsere Gesellschaft überflutet wie das am Wochenende zu erwartende Regentief Otto. Ich erhebe durchaus des Öfteren meine Stimme, lasse einen Schrei durchs traute Heim, dass die weißen Wände wackeln. Auch das fällt unter psychische Gewalt, und auch das ist natürlich etwas, auf das ich nicht stolz bin. Doch in jeder zwischenmenschlichen Beziehung wird gestritten, das ausschlaggebende ist oft nur das Machtverhältnis. Wenn Kinder untereinander streiten, oder Erwachsene miteinander debattieren, dann befinden sie sich auf einer Ebene. Und jeder ist im Stande, angemessen oder nicht angemessen zu reagieren. Wenn ein Erwachsener allerdings auf jemanden schimpft und schreit, der einen Meter kleiner ist, dann sind das eindeutig zwei unterschiedliche Ebenen. Und der Knirps ist nicht in der Lage sich auf die Höhere zu begeben. Ein eben von Anfang an unfaires Unterfangen. Deshalb versuche ich auch immer aus einer gewissen Entfernung, sagen wir mal, so in den Raum hineinzubrüllen. Das macht die Sache zwar nicht besser, aber wie gesagt, ich bin ja auch keine Übermutter. Ich weiß, dass Erziehung Schwerstarbeit sein kann und ich würde nicht die Hand dafür ins Feuer legen, niemals eben jene gegen eines meiner beiden Kinder zu erheben. Im Affekt, versteht sich. Aber ich hoffe flehentlichst, dass es zu keiner Zeit dazu kommen mag. Die Pubertät ist, wie ich rund um mich vernehme, ein heißer Tipp für solch eine verzwickte Situation. Und möge es mir gelingen, in ein paar Jahren nicht einen Text mit dem Titel "Wie die ung´sunde Watsch´n zur g´sunden wird" verfassen zu müssen. Ich würde es zutiefst bereuen und mein Magen würde zusammenschrumpfen wie eine Dörrzwetschke. Ich bin davon überzeugt, dass meine Söhne mir niemals einen Grund liefern könnten, der es rechtfertigen würde, sie zu schlagen. Sollte es dennoch einmal passieren, denn Menschen machen bekanntlich Fehler, dann schäme ich mich schon jetzt dafür. Wir verurteilen alle den Vater, der seine Tochter verbrüht hat, der ein zweijähriges Kleinkind zu Tode gequält hat und behandeln ihn zurecht als Verbrecher. Wir – in unseren Gedanken zumindest – denn die Justiz lässt sich damit ja Zeit. Aber so ein bisserl Schlagen ist schon ok? Das ist bewusst provokant formuliert, und natürlich nicht im Entferntesten vergleichbar. Aber in meinem Kopf dreht sich alles seit ich gestern früh meiner ersten Watschen begegnet bin, und ich weiß, dass jeder Dritte, den ich auf der Straße sehe, so ein Backenpfeiferl vollkommen in Ordnung findet. Und auch wenn ich ein sentimentales Häferl bin und viel lieber Likes und Lob ernte, fange ich in diesem Fall gerne den Kritik-Bumerang ab, der mich mit Sicherheit treffen wird. Ich hoffe nur, nicht ein Drittel meiner LeserInnen zu verlieren.

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Gemütliches Wohnzimmer
...G´scheiteln und der abhandengekommene Enthusiasmus...
12. November 2014

...G´scheiteln und der abhandengekommene Enthusiasmus...

„Abseits“ brüllt mir mein Zehnjähriger entgegen, dicht gefolgt von einem „Hands“ des Fünfjährigen. Meine drei Buben (einer davon wird mich für diese Bezeichnung lieben) verfolgen gebannt ein Fußballmatch im ORF. Ja, auch dieser Sender überträgt, hie und da, das eine oder andere Großereignis. Vorausgesetzt man bezeichnet ein Ländermatch als solches. Ehemann sitzt ein wenig stoisch daneben, nuckelt am Bierfläschchen, als wäre es ein Baldriantrunk, wobei ich den Argwohn hege, da ist Hopfen und Malz verloren. Unsere Blicke tauschen ein verschwörerisches „eh scho wissen“ aus und ich entschwinde aus der unmittelbaren G´scheitel-Gefahrenzone. Beim Fußball nämlich werden meine beiden Jungs, die bis vor kurzem nicht einmal wussten, wie viele Spieler pro Mannschaft den Rasen schmücken, zu Experten par excellence. Der Ältere wählt ein Land als Favoriten -nach welchem Schema ist vollkommen unklar und entzieht sich jeglicher Logik- und hält diesem lautstark und absolut realitätsfremd die Stange. Er sieht Fouls, wo nicht mal Körperkontakt ist, sieht Abseits, fragt aber in der Pause sicherheitshalber nach, was denn eigentlich genau diese sonderbare Abseitsregel besagt. Räsoniert mit Ausdrücken, die er keinesfalls von mir hat, über den Feind am Feld. Nicht im Entferntesten erahnend, wo sich die Heimat dieser armen Kerle befindet, wird über Land und Sitten gelästert. Er, der mir beim letzten Geographietest Brasilien als Hauptstadt Polens verkaufen wollte. Anders der Fünfjährige. Bei ihm gehts einzig und allein um den Sieg. Je nachdem, wer führt, wird favorisiert. Da hält man zuerst eisern zu „den Gelben“, nach einem Gegentor augenblicklich doch zu „den Roten“. Dann läutet es plötzlich an der Haustür und beide springen wie vom Heuschreck gestochen auf, weil der Lieblingsonkel die Bühne unseres Wohnzimmers betritt. Augenblicklich sind Lederwuchtel und Fußballwadel vergessen und der Focus auf eventuell Neues gerichtet. Mit Hingabe natürlich. Das eben gesehene wird ohne zu Zögern in die Tat umgesetzt, eignet sich doch vermeintlicher Onkel herrlich als Tormann. Zum Leidwesen meiner Möbel und Wände natürlich. Doch meine Einwände verebben im Tumult der Jubelrufe und Schreiparolen. Inmitten dieser Szene, frage ich mich, wo und wann genau uns Erwachsenen im Laufe der Zeit dieser Enthusiasmus entwischt ist? Diese –alles andere in den Schatten stellende- Begeisterungsfähigkeit. Wir alle fühlten das mal. Und wir alle liebten und hassten es. Denn nicht immer war es Freude, die uns die Tränen in die Augen trieb. Genauso war es Wut, Machtlosigkeit, Zorn und Trauer. Ich kann mich noch sehr gut erinnern an dieses Gefühl, die gerade zu bewältigende Situation, sei die wichtigste der Welt. Mit Transparenten bewaffnet demonstrierte ich lautstark gegen die damaligen Sparmaßnahmen. Sie wollten uns die Schulschikurse streichen! Alleine der Gedanke rief in uns Pubertierenden Panikattacken hervor. Ich lag nach „The Day After“ nächtelang wach, überzeugt davon, meinen nächsten Geburtstag nicht zu erleben. Hat mich der damalige Schwarm keines Blickes gewürdigt, schrumpfte der Magen auf Nussgröße. Die Wahl des Bhs, der die nicht unterstützungswürdigen Erhöhungen unterstützen sollte, glich an Bedeutung einer Weltwirtschaftskrise. Die verpatzte Lateinschularbeit, der Pickel im Gesicht oder die Niederlage von Austria Wien, egal was es war, es war in diesem Moment von elementarster Wichtigkeit. Schön war das und grauslich zugleich. Aber so stark, so groß, so Hollywood! Vielleicht gibt es ja eine physische Erklärung für dieses Phänomen des Abstumpfens. Möglicherweise werden unsere Nervenenden tauber und unsere Sinneszellen reagieren nicht mehr auf jeden Impuls wie mit 15. Vielleicht sind auch die Hormone schuld, oder eben die Nicht-Hormone. Ich fürchte allerdings, es liegt ausnahmslos an der Psyche, wie so Vieles in unserem Leben. Wir werden weiser, hinterfragen, werden kritischer, nicht mehr so leicht manipulierbar. Das ist auch wichtig und gut. Es wäre natürlich blauäugig zu glauben, die Welt wäre besser, würden wir uns alle ständig jeder Laune hingeben und wie testosteron- und östrogengesteuerte Viertklässler aus Banalitäten Weltkrisen basteln. Und trotzdem, ein paar so kostbare Momente… Tatsache ist, es vergeht kein Tag, an dem ich mir, zumindest einen Teil dieser emotionalen Hingabe nicht zurückwünsche. An dem ich hoffte, ich würde es wagen, vor Begeisterung zu schreien, wenn mein Kind nach einer Woche Basketballcamp aus dem Bus steigt; lauthals zu schluchzen, wenn mein Fünfjähriger beim Klavierkonzert länger braucht um auf den Hocker zu kraxeln, als seine paar Noten zu Spielen. Ich würde liebend gerne nackt im Regen stehen, in einer frisch gemähten Wiese kullern ohne an die Milliarden Grasfuzeln zu denken, die ich nachher aus der Wäsche zupfen muss. Ich würde gerne ohne Gepäck mitten in der Nacht spontan ans Meer fahren, und ich würde gerne immer sagen was ich meine und immer schreiben was ich denke! Dies alles geht mir durch den Kopf beim Beobachten dieser Wohnzimmer-Fußballszene und mit einem Schmunzeln in meinem sonst sehr ernsten Gesicht hoffe ich inbrünstig, dass dieses Kind-Sein noch sehr lange anhält.

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Buch der Akkorde
...Tik Tik Tok...
6. November 2014

...Tik Tik Tok...

Tik tik tok. Nein, ich meine nicht Donald Duck´s Neffen und habe ein Rechtschreibproblem. Ich meine es genauso, wie ich es schreibe. Hinter diesen energiegeladenen wertvoll klingenden Lauten verbirgt sich ein gruppendynamisch angespornter Liedernachmittag. Das trug sich folgendermaßen zu: mein 10-Jähriger nimmt an einem zweitägigen Gitarren-Begleitworkshop an der hiesigen Musikschule teil. Vieler seiner Freunde und Nicht-Freunde tun das selbige, was eine Kinderanzahl von 31 ergibt. Aber immerhin 3 ambitionierte Pädagoginnen. Es wird also ein Trio an Gruppen gebildet, mit den einfallsreichen Namen Eins, Zwei und Drei. Schade eigentlich. Im Rückblick fände ich wirklich Tick, Trick und Track passender. Noten werden einstudiert, Fingerchen werden vom vielen Zupfen verarztet und Texte werden geprobt. Jawohl. Texte! Denn anders als bei nahezu allen anderen Instrumenten, begnügt sich die Gitarristin nicht damit, mit wohlklingenden Melodien zu unterhalten, nein, vielmehr ist es Usus die Lieder mit Gesang zu unterstützen. Nun ist es so, dass ich grundsätzlich eine Musikliebhaberin bin. Und natürlich lausche ich den Klängen von Yusuf, alias Cat Stevens nur allzu gern. Die Aussicht darauf, dass sich Gertrud und ihre Lehrerkolleginnen ihrer Stimmbänder bedienen, hält sich allerdings in Grenzen. Doch dann die ungeahnte Überraschung. Alle Hemmungen über Bord werfend werden die Gitarristinnen von ungeahnten Emotionen übermannt bzw. überfraut und geben sich den Jazz, Soul und Funkklängen hin. Die teilnehmenden Kinder finden das höchst amüsant, kennt man doch Gertrud und Co. nur als Lehrkräfte und nicht als singende Sirenen. Begeisterter Nachwuchs bedeutet noch begeistertere Eltern. Sprich, es wird enthusiasmiert in die Hände geklatscht, gegrinst, zugezwinkert, ja sogar ein impulsives „Zugabe“ in Richtung Bühne gegrölt. Vielleicht ist aber auch dieser fast ekstatische Überschwall an Leidenschaft dem Tik Tik Tok zu verdanken. Am Beginn dieses Spektakels nämlich animierte besagtes Lehrerkollegium die Eltern zu einem rhythmischen Bewegungsspielchen. Jeder kennt das. Aus dem Job, aus Seminaren, Schulungen, ja sogar vor Elternvereinssitzungen macht dieser Sport nicht halt. Und jeder hasst es. Das Geschäker zur Förderung der Gruppendynamik. Bei aufwendigeren Zeremonien müssen die Teilnehmer Shakespearetexte uminterpretieren, Orchester dirigieren, oder gemeinsam versuchen das Biotop vor dem 5*Seminarhotel zu überqueren. Sich vorstellend, es sei der Amazonas und sie haben nichts zur Verfügung als ihre mannesstarke Willenskraft und ein paar Zündhölzer. Wie gesagt, kennen wir alles. Und trotzdem scheinen diese lockernden Experimente immer irgendetwas zu bewirken. So auch an diesem Sonntagnachmittag. Die Choreographie war mehr oder weniger anspruchsvoll, je nachdem ob frau sich eher in die Kategorie Karina Sarkissova oder Angela Merkel einzuordnen vermag. Aber alleine der Umstand beide Beine und beide Hände zu unterschiedlicher Zeit in verschiedene Richtungen zu bewegen, überfordert so manche Mama und auch so manchen Papa. Ich hätte wirklich gerne ein Video von dieser Einmaligkeit. Nicht so sehr von den Gitarre spielenden Knirpsen auf der Bühne, als von den hin- und her schunkelnden Stammhaltern auf der Tribüne. Da geht ein Grinsen um die Ränge, als würde man sich bekifft auf einer 68-er Wiese wonnetrunken in die Arme fallen. Naja, vielleicht nicht ganz. Aber immerhin entkrampfter, dem zu Erwarteten unverhüllt gegenüberstehend, selbstverständlich und zum Glück nur in metaphorischer Hinsicht. Und in dieser legeren Atmosphäre klingen die Resonanzen auf der Bühne fast wie die Koloraturen von Janis Choplin. An dieser Stelle ein Dank an Janis und ihr Ensemble. Ihr schärft nicht nur Tag für Tag den Musiksinn unserer Kinder, ihr agiert auch als Gruppentherapeutinnen, Animateurinnen und vieles mehr. Und vielleicht begegnen wir ja der nächsten Teamsitzung, Gruppentherapie oder Partnerschaft mit einem Lächeln auf den Lippen und einem euphorischen Tik Tik Tok!

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Milch und Kekse
...Feminismus versus Sojamilch...
29. Oktober 2014

...Feminismus versus Sojamilch...

Neulich im Rabenhoftheater: Angelika Hager liest aus ihrem neuesten Roman mit dem Titel „Schneewittchenfieber“. Begleitet von Maria Happel, die es, steht sie nicht gerade auf der Bühne, jeden Dienstagabend schafft, uns durch ihren Charme die Gerichtsmedizin als illustre Arbeitsstätte zu verkaufen. Neben mir meine Freundin Mathilda, Mutter von vier Kindern, abgebrochenes Pharmaziestudium, jahrelange Berufserfahrung im Politzirkus unseres Landes. Jetzt: Hausfrau! Nun gut, es ist Sonntagvormittag, die Sonne scheint und wir pferchen uns gut gelaunt in den rabenschwarzen Rabenhof. Die beiden Damen betreten die Bühne, großer Applaus, Presse wie bei einem Papstbesuch. Natürlich. Ist frau doch für diese Jahrzehnte lang tätig. Wir schmunzeln, wenn über die sojamilchtrinkenden Übermütter gewitzelt wird, die sich mit Bugaboos bewaffnet in ihren Converse-Tretern am Rochusmarkt tummeln. Und obwohl auch ich ein fanatischer Bugaboo-Groupie bin und ebenfalls Converse besitze, grinse ich wie ein frischlackiertes Hutschpferd, weil es einfach unterhaltend ist, wird eine Spezies mit Witz und Humor auf die Schaufel genommen. Doch natürlich ist in dieser gewitzelten Schale ein ernster Kern versteckt. Es ist wieder hipper geworden, sich um die Familie zu kümmern, und zwar ausschließlich. Sprich die finanzielle Abhängigkeit Frau-Mann hat wieder Fuß gefasst in unserer Gesellschaft. Jede zweite junge Frau kann sich zugunsten eines geordneten Familienlebens vorstellen, auf die Karriere zu verzichten. Zur Freude der meisten Männer natürlich, zum Leidwesen von Frau Adler, pardon Hager, wie sie echauffiert auf der Bühne zum Besten gibt. Natürlich immer wieder gespickt mit humoristischen Anekdötchen, die mir Tränen in die Augen treiben, gibt sie gekonnt einen Einblick in so manch dramatisches Szenenbild in unserem Land. So ist die Gehaltsschere zwischen Männlein und Weiblein nach wie vor eklatant, das Wiedereinstiegsgehalt der Frau nach drei Jahren Karenzzeit im Durchschnitt um 30% minimiert. Da versteinern sich die Mienen plötzlich. Aus dem Schmunzeln im Saal, der entspannten Sonntag vormittäglichen Chill-Atmosphäre wird schön langsam aber sicher Kühlschrankstimmung. Mit der Aussage, dass laut einer Studie dem Durchschnittsmann die hauswirtschaftlichen Fähigkeiten einer Frau wichtiger sind, als deren Interessen, spricht Angelika Hager vermutlich hunderttausenden von Frauen praktisch aus der geknickten Daseinsseele. Heiß-kalt, gleich einer Kneipp-Kur werden wir mit amüsanten Schmankerln und beinharten Statistiken kuriert. Mit all meinen Sinnen auf die Bühne konzentriert, falle ich vor Schreck fast vom superengen Plastiksesserl, als sich der Ellbogen meiner Freundin zwischen meine Rippen bohrt. Beim Wort Männerkarenz, muss sie offenbar ganz instinktiv ihrem Unmut Ausdruck verleihen, zum Leidwesen meiner rechten Niere. Während nämlich am Podium vor uns mittlerweile vehementest darum gefeilscht wird, die Männer mögen doch den Mut haben, als Vorbild gelten, als Pioniere unserer Zeit, hüstelt die Dame neben mir: und bitte mit welchem Geld? Hmm. Das ist wahrlich ein Argument. Denn selbstverständlich wäre es wünschenswert, würde Mann diese Zeit fürs Kind in Anspruch nehmen, setzt allerdings voraus, dass Frau dafür sorgt, das Familienkonto nicht in den roten Bereich abrutschen zu lassen. Ich denke nach! Wer in meinem engen Freundeskreis könnte das? Ups, niemand. Wer in meinem entfernteren Bekanntenkreis könnte das? Ahja! Die Hannah-Mama! Die hat sogar ein eigenes Unternehmen aufgebaut. Etabliert, Innovativ, unabhängig. Hannah ist die Einzige im Kiga, die mit sechs Monaten bereits die Tagesmutter besuchen durfte. Völlig glücklich und problemlos natürlich. Man bzw. Frau weiß doch, dass so kleine Wonnebrocken weltoffener, selbstbewusster und unkomplizierter werden, wenn sie schon im Säuglingsalter nicht nur eine Bezugsperson haben. Genau das sage ich mir auch immer, wenn mir mein Jüngster schluchzend aus der Kiga-Gruppe entgegeneilt, weil die Hannah ihn schon wieder getögelt hat. Sagen kann ich nix, weil ich besagte Hannah-Mama ja nie zu Gesicht bekomme. Die sitzt ja, wie gesagt, in ihrem Unternehmen und unternimmt – was auch immer. Jedenfalls nichts, was den Balg in der Kindergruppe dazu bringen könnte, endlich zu respektieren, dass die Hauspatschen der anderen nichts in der Toilette verloren haben. Dass Kinder, die früher in Fremdbetreuung sind, sagen wir mal eigenwilliger sind, ist natürlich keinesfalls bewiesen und ich maße mir darüber auch kein Urteil an. Fakt ist, dass mir die Hannah gehörig auf den Senkel geht, was in diesem speziellen Fall vermutlich weniger mit dem frühen Besuch der Krabbelstube zu tun hat, als vielmehr mit dem Umstand, dass mir die in Valentino gehüllte Teilzeitmama zutiefst unsympathisch ist. Aber wieder zurück auf die Bühne. Wiedereinstig der Frau nach der Babypause: maximal 1 Jahr! wird dort plädiert. Sonst hätte Frau am Arbeitsmarkt kaum mehr Chancen. Außer natürlich, sie nimmt in Kauf, dass sie einen Bruchteil dessen verdient, was zuvor auf ihrem Gehaltszettel stand. Und vorausgesetzt sie hatte zuvor ein Angestelltenverhältnis. Denn wie meine Freundin neben mir raunzt: „Na, mit meinem Werkvertrag kann ich mich brausen gehen!“ Fakt ist also, Frau muss es sich vor dem Kinder kriegen schon richten, sonst wird das nachher nix mit dem Wiedereinstieg. Keine große Überraschung, aber doch eine Erkenntnis, die vielleicht nicht immer so bewusst gelebt wird bzw. gelebt werden kann. Und darum ist es gut so, dass solche Bücher geschrieben werden. Allein schon die Tatsache, dass die Polarisation dieses Themas Anlass zum Nachdenken und Stoff für Diskussion gibt, ist äußerst wünschenswert. Nach der Lesung folgt die unausweichliche Frage, ob denn jemand ebensolche hätte. Au weia…die gruppendynamische Debatte beginnt. Augenblicklich fühle ich mich in einen Elternabend im Kindergarten manövriert, nur dass sich statt der Lukas-Mama, die Probleme hat, ihr Hinterteil auf dem kleinen Stühlchen unterzubringen, sich eine aparte Blonde aus der zweiten Reihe zu Wort meldet. Was Frau Hager einem weiblichen Teenager mit auf dem Weg geben würde in puncto Lebensplanung. „Nur ein Jahr Karenzzeit!“ kommt es wie aus der Pistole geschossen. Ein heftiges Nicken von Frau Happel daneben, die dann mit einem kleinen Histörchen entzückt, dass nämlich sie ein mindestens 60/40 Verhältnis lebe, allerdings sie 40%, wenn überhaupt! „Gut“, meint eine Vertreterin der „Jute statt Plastik“ – Fraktion hinter mir „und wohin mit dem Kind?“ Naja, diese ganze Planung setzt natürlich voraus, dass man einen Pulk von Großmüttern im Schlepptau hat. So habe sie, Angelika, ihre Tochter immer in guten Händen gewusst, während sie ihre Karriere weiterverfolgte. „Ahja!“ vernehme ich ein nicht mehr ganz so leises Grunzen neben mir, vermengt mit einem leicht angesäuselten Unterton. Doch das Gegrunze geht unter, denn ist einmal der Bann gebrochen, schießen die Hände nur so in die Lüfte, verstärkt durch ein leichtes Anheben des Gesäßes um der Wichtigkeit der eigenen Aussage noch mal kräftig Ausdruck zu verleihen. Mein Déjà-Vu zum Elternabend habe ich schon erwähnt? Diese geballte Ladung Feminismus, die den Rabenhof für kurze Zeit in eine Alice Schwarzer Hochburg aus den 80-ern verwandelt, ist selbst mir zu viel. Zum Glück erkennt Maria Happel den Ernst der Lage und meint, dass es sich vielleicht bei einem Glas Prosecco an der frischen Luft besser diskutiere, und würgt somit die Polemik um das Binnen-i ab, das offenbar nicht nur mir beim Schreiben regelmäßig graue Haare sprießen lässt. Dies lenke nur vom Wesentlichen ab, sei unnötig, genauso wie die Töchter in der Bundeshymne und die ArbeiterInnenkammer. In dieser Frage hat es sich wohl ausgegendert. Amüsiert über den Einklang im Ausklang dieser Matinee verlasse ich beschwingt neben meiner nicht so beschwingten Freundin das Theater und freue mich auf meine drei Buben (5,10 und „darf ich nicht sagen“).

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